Unser Thema am People Thursday, dem 23. November 2023:
Die Welt der Unternehmensübernahmen und Fusionen dreht sich häufig um Kapital, Renditen und Märkte. Unternehmensübernahmen können strategisch sinnvoll erscheinen, versprechen sie doch Synergien, Markterweiterung und oft auch Kosteneinsparungen. Trotz dieser aussichtsreichen Perspektiven misslingen viele Fusionen und Übernahmen. Häufig liegt das Problem in der unzureichenden Berücksichtigung von arbeits- und abgabenrechtlichen Risiken, wie z.B. bei systemischen Fehlern in der Personalverrechnung, die erst Jahre später während der GPLB-Prüfung ans Licht kommen.
Neben diesen potenziellen Risiken sollte auch das eigentliche Herzstück eines jeden erfolgreichen Unternehmens beachtet werden - der Mensch. Stellen Sie sich in diesem Kontext stets folgende Fragen: Wer sind die eigentlichen Schlüsselkräfte, die das Unternehmen antreiben? Welche Kernkompetenzen sind relevant, um ein nachhaltiges Wachstum zu gewährleisten? Sind die vorzufindenden Gehälter noch marktkonform?
Im folgenden Artikel möchten wir Ihnen die Möglichkeiten und Grenzen einer HR Due Diligence aufzeigen und sie anhand von 3 Teilbereichen greifbar machen.
In der Phase vor einer Unternehmensübernahme ist die Euphorie meist deutlich spürbar. Die beteiligten Organisationen konzentrieren sich auf finanzielle Modelle, Marktdurchdringung und Wachstumsmöglichkeiten. Doch das Augenmerk auf diese Faktoren allein kann zu einem folgenschweren Fehler führen: die Vernachlässigung ihrer Mitarbeitenden.
Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen belegen, dass ein beträchtlicher Teil der M&A-Transaktionen scheitert - die Erfolgsquote liegt bei rund 60 Prozent. Fast die Hälfte aller Deals misslingt aufgrund mangelnder Rücksichtnahme auf menschliche Risiken.1)
Als Paradebeispiel ist der Unternehmenszusammenschluss von DaimlerChrysler zu nennen, der beiden Parteien viele Milliarden Euro kostete. Denn gerade die kulturellen Unterschiede waren letztlich ausschlaggebend für den Misserfolg.
Um das personelle Risiko besser zu untersuchen, rückte in den letzten Jahren vermehrt die „Human Resources Due Diligence“ in den Fokus. Diese spezifische Form der Prüfung zielt darauf ab, die personellen Ressourcen und Risiken eines Unternehmens im Rahmen einer Übernahme oder Fusion eingehend zu analysieren.
Was kann eine HR Due Diligence abdecken und welchen Mehrwert kann sie liefern?
Generell soll eine Due Diligence Prüfung die Verhältnisse im Zielunternehmen analysieren und damit die Kaufentscheidung bzw. die Vertragsgestaltung unterstützen. Ob eine HR Due Diligence durchgeführt wird oder nicht, hängt von dem Ziel der Transaktion ab: Je intensiver das Target in das eigene Unternehmen integriert werden soll, desto wichtiger ist die Analyse der personalbezogenen Faktoren.
Die genauen Inhalte der Prüfung können variieren, wobei häufig zwischen „harten“ und „weichen“ Faktoren unterschieden wird. Harte Faktoren umfassen unter anderem personenbezogene finanzielle Verbindlichkeiten, arbeitsrechtliche Bestimmungen und relevante Personalkennzahlen, während zu den weichen Faktoren die Definition von Schlüsselkräften sowie die Analyse der Unternehmenskultur zählen. In der Praxis überschneidet sich die HR Due Diligence vor allem bei der Prüfung der harten Faktoren, die sich z.B. aus den rechtlichen und finanziellen Aspekten der Arbeitsverträge ergeben. Ihr inhaltlicher Rahmen beginnt an jener Stelle, an der die rechtliche und finanzielle Due Diligence endet.
Unserer Erfahrung nach lässt sich eine HR Due Diligence sinnvoll in 3 Teilgebiete unterteilen. Der erste Bereich umfasst die Untersuchung der Payroll, insbesondere im Hinblick auf mögliche GPLB-Risiken. Der zweite Bereich beinhaltet die Analyse der Vergütungsstrukturen, einschließlich der Überprüfung ihrer Marktkonformität. Drittens sollte der Personalbestand mit den zugehörigen HR-Prozessen untersucht und die Schlüsselpersonen identifiziert werden.
Payroll
Im Rahmen der Payroll Due Diligence werden die abgabenrechtliche Beitrags- und Bemessungsgrundlagen für Lohnsteuer, Lohnnebenkosten und Sozialversicherung einer näheren Analyse unterzogen und typische Risikofelder identifiziert. Ein hohes Nachzahlungsrisiko ist vor allem in Zusammenhang mit Sachbezügen (PKW, Wohnung etc.), Reisekosten, dem Ausfallsentgelt, All-in-Vereinbarungen sowie Fragestellungen rund um das Thema Arbeitszeit gegeben. Zudem sind relevante Aspekte auch außerhalb der Personalverrechnung zu beachten. Ein klassisches Beispiel ist hier etwa das Umqualifizierungsrisiko von Werkverträgen.
Seit Einführung des Lohn- und Sozialdumping Bekämpfungsgesetzes ist die Anwendung des richtigen Kollektivvertrags und einer korrekten Einstufung der Mitarbeiter:innen in die Gehaltstabelle des jeweiligen Kollektivvertrags Grundvoraussetzung, um hohe Strafen und spätere Beanstandungen seitens der Behörden, aber auch seitens der Mitarbeiter:innen oder ggf. des Betriebsrats zu vermeiden.
Die Überprüfung dient damit nicht nur der Aufdeckung historischer Risiken, sondern auch systematischer Fehler, die im Zuge des Integrationsprozesses beseitigt werden können. Ohne eine entsprechende Analyse besteht die Gefahr, dass Problemfelder oft erst Jahre später im Zuge der nächsten GPLB entdeckt werden. Auch vereinbarte Haftungseinschränkungen können in diesen Fällen - wenn es sich um Prüfzeiträume nach einem erfolgten Kauf handelt - selten Abhilfe schaffen.
Compensation & Benefits
In einem nächsten Schritt geht es darum, das Vergütungssystem mit seinen fixen und variablen, wie auch monetären und nicht-monetären Bestandteilen zu untersuchen. Die Vergütung der Mitarbeitenden ist nicht nur als wesentlicher Kostenfaktor von Interesse, sondern stellt auch gleichzeitig einen sensiblen Aspekt der Mitarbeiter:innenbindung und -zufriedenheit dar.
Im Rahmen einer HR Due Diligence ist es daher empfehlenswert, die Vergütungsstrukturen auf ihre Marktkonformität und ebenso ihre Wirkungsweise zu prüfen. Dadurch kann ein klares Bild über die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens, die Erwartungshaltung der Mitarbeitenden und potenzielle Veränderungsnotwendigkeiten erlangt werden. Bei gewissen Transaktionen kann auch die Durchführung eines Branchenbenchmarks eine hilfreiche Grundlage darstellen.
People
Nun ist es an der Zeit, sich auch den sogenannten „weichen“ Faktoren zu widmen: Ohne ausreichende Rücksichtnahme auf den zum Teil schwer messbaren Humanfaktor, riskieren Unternehmen ihren finanziellen sowie nachhaltigen Erfolg.
Im Bereich „People“ liegt der Fokus auf der Analyse und Bewertung aller Bereiche entlang des Employee Life Cycles. Ein Blick auf die erfolgskritischen Prozesse oder Strukturen innerhalb des Bereichs können vor allem in Kombination mit Zahlen und Daten aus anderen Bereichen der (HR) Due Diligence Aufschluss geben sowie Handlungsfelder aufzeigen und dienen als Grundlage für eine strukturierte Integrationsstrategie.
Ebenso wichtig ist die gezielte Identifikation der Schlüsselkräfte und Wissensträger:innen im Zielunternehmen. Untersuchungen zeigen, dass bis zu 50 % der Führungskräfte das Unternehmen nach einer großen Transaktion verlassen. Dies hat einen enormen Einfluss auf die Produktivität der Organisation und den Erfolg der Transaktion.2) Insbesondere, wenn die Mitarbeitenden für den Erfolg der Transaktion entscheidend sind, sollte der Erhalt der Kernkompetenzen im Vordergrund stehen.
Human Resource Due Diligence als Make-or-Break von vielen Deals?
Die Vorteile einer umfassenden HR Due Diligence liegen auf der Hand. Abgesehen von der Zielsetzung der jeweiligen Transaktion, stehen im schnelllebigen M&A-Alltag besonders in den frühen Phasen oft noch andere Faktoren und Einflussgrößen im Vordergrund. Zusätzlich führen eine geringe Verfügbarkeit von qualitativen und sensiblen Informationen sowie die schwierige Messbarkeit bzw. Vergleichbarkeit der Daten nicht immer zu aussagekräftigen Ergebnissen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es sich bei einer langfristigen Integration des Zielunternehmens bezahlt macht, den Faktor Mensch frühzeitig zu berücksichtigen. Mit einer grundlegenden HR Due Diligence sowie einer darauf aufbauenden Integrationsstrategie kann der Veränderungsprozess von Beginn an mit entsprechenden Maßnahmen begleitet werden. Damit können nicht nur finanzielle Risiken und Verluste durch Fluktuation oder Produktivitätsrückgang, sondern auch langfristige negative Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen reduziert werden.
Autorinnen:
Michaela Lexer
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Sarah Schirgi |
Ansprechpersonen:
Thomas Neumann thomas.neumann@bdo.at +43 5 70 375 - 1720 |
Josefine Pribyl josefine.pribyl@bdo.at |
Zur Übersicht: Alle People Thursday-Themen
1) Mercer, 2021, delivering the deal – The unrealized potential of people in deal value creation (abgefragt am 21.11.2023).
2) Börner, Human Resources Due Diligence: Drum prüfe, wer sich ewig bindet - M&A Review (ma-review.de) (abgefragt am 21.11.2023).