Unser Thema am People Thursday, dem 16. November 2023:
Der bevorstehende Jahreswechsel bringt eine Reihe an gesetzlichen Änderungen im Sozialversicherungs- und Lohnsteuerrecht. Die folgende Darstellung gibt einen Überblick über die wesentlichen Eckpunkte, die insbesondere das Progressionsabgeltungsgesetz 2024 sowie das Budgetbegleitgesetz 2024 behandeln. Die Beschlussfassung im Nationalrat und Bundesrat wird Ende November erwartet. Darüber hinaus hat es auch während des Jahrs bereits Änderungen auf zwischenstaatlicher Ebene gegeben, die laufend bzw. im Zuge der Veranlagung 2023 zu beachten sind.
Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags (AlV-Beitrag)
Der AlV-Beitrag soll ab 1.1.2024 für Lehrlinge von 2,4% auf 2,3% und für alle anderen Versicherten (Arbeiter:innen, Angestellte und freie Dienstnehmer:innen) von 6% auf 5,9% gesenkt werden. Die Aufteilung zwischen Dienstgeber:innen und Dienstnehmer:innen je zur Hälfte bleibt dabei unverändert. Die geplante Beitragssenkung soll jedoch nicht für Versicherte mit geringen Einkommen gelten. Eine stufenweise Kürzung des AlV-Beitrags soll unverändert 2% und 1% (bzw. 1,2% und 1% bei Lehrlingen) betragen.
Erhöhung der Dienstgeberabgabe
Übersteigt die Lohnsumme aller geringfügig Beschäftigten den Grenzwert von EUR 751,37 (Wert 2024: EUR 777,66), haben Dienstgeber:innen mit mehr als einem geringfügig Beschäftigten eine sog. Dienstgeberabgabe zu bezahlen. Der VfGH hat in einem kürzlich veröffentlichten Erkenntnis klargestellt, dass mehrfach geringfügig Beschäftigte arbeitslosenversichert sind und die entsprechende verfassungswidrige Bestimmung mit Wirkung ab 1.4.2024 aufgehoben wird. Aufgrund der Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung soll die Dienstgeberabgabe nun ab 1.1.2024 von 16,4% auf 19,4% erhöht werden.
Anpassung der Tarifgrenzen
Die Grenzbeträge für die Tarifstufen sollen 2024 wie folgt angepasst werden:
Steuersatz |
Tarifgrenze 2023 |
Tarifgrenze 2024 |
0% |
bis EUR 11.693 |
bis EUR 12.816 |
20% |
bis EUR 19.134 |
bis EUR 20.818 |
30% |
bis EUR 32.075 |
bis EUR 34.513 |
41% bzw. 40% |
bis EUR 62.080 |
bis EUR 66.612 |
48% |
bis EUR 93.120 |
bis EUR 99.266 |
50% |
ab EUR 93.120 |
ab EUR 99.266 |
55% |
ab EUR 1 Mio. |
ab EUR 1 Mio. |
Ausweitung der steuerlichen Begünstigung von Überstunden, SEG-Zulagen sowie SFN-Zuschläge
Der höchstmögliche steuerfreie Zuschlag für die ersten 10 Überstunden im Monat soll von derzeit EUR 86 auf künftig EUR 120 erhöht werden. Für die Kalenderjahre 2024 und 2025 sollen zudem für die ersten 18 Überstunden im Monat bis zu EUR 200 steuerfrei ausbezahlt werden können.
Darüber hinaus soll der steuerbegünstigte monatliche Freibetrag für die Auszahlung von Schmutz‑, Erschwernis- und Gefahrenzulagen (SEG-Zulagen) sowie für Zuschläge für Sonntags‑, Feiertags- und Nachtarbeit (SFN-Zuschläge) und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge von derzeit EUR 360 ab 2024 auf EUR 400 angehoben werden.
Erhöhung des Kindermehrbetrags und des Zuschusses zur Kinderbetreuung
Zur Unterstützung der Familien soll der Kindermehrbetrag ab der Veranlagung 2024 von derzeit EUR 550 auf künftig auf EUR 700 jährlich pro Kind erhöht werden. Zusätzlich soll bereits ab der Veranlagung 2023 ein im gleichen Kalenderjahr bezogenes Wochengeld und Kinderbetreuungsgeld für den Kindermehrbetrag nicht mehr anspruchsschädlich sein.
Außerdem soll die steuerfreie Förderung der Kinderbetreuung ausgeweitet werden, indem der steuerfreie Kinderbetreuungszuschuss - derzeit EUR 1.000 auf künftig EUR 2.000 - verdoppelt und die Altersgrenze von 10 auf 14 Jahre angehoben wird. Gleichzeitig wird auch die Abwicklung erleichtert. Künftig soll es möglich sein, dass der:die Arbeitnehmer:in die Kosten zunächst selbst bezahlt und diese (gegen Vorlage der Rechnung, die zum Lohnkonto zu nehmen ist) zumindest teilweise durch den:die Arbeitgeber:in ersetzt bekommt.
Darüber hinaus soll die Schaffung elementarer Bildungseinrichtungen durch Arbeitgeber:innen attraktiver gestaltet werden, indem zukünftig der kostenlose oder vergünstigte Besuch von Betriebskindergärten und Betriebskindergrippen auch dann steuerfrei sein soll, wenn diese auch durch betriebsfremde Kinder besucht oder von mehreren Arbeitgebenden gemeinsam betrieben werden.
Multilaterales Abkommen im Bereich Sozialversicherung
Seit 1.7.2023 gilt für die unterzeichnenden Staaten auf europäischer Ebene ein multilaterales Abkommen zur grenzüberschreitenden Telearbeit. Die Neuregelung ermöglicht Arbeitnehmer:innen im Einvernehmen mit dem:der Arbeitgeber:in, bis zu 49,99 Prozent ihrer Tätigkeit im Rahmen von Telearbeit im Wohnsitzstaat im Ausland zu erbringen, ohne dass es zu einem Wechsel des anwendbaren Sozialversicherungsregimes kommt. Auf Basis dieser Rahmenvereinbarung können österreichische Arbeitgeber:innen die Anwendung der österreichischen Sozialversicherungsvorschriften beim Dachverband der Sozialversicherungsträger beantragen. Nähere Informationen über die für die Anwendung der Neuregelung gültigen Definition von Telearbeit können unserem ausführlicheren Beitrag zum Thema grenzüberschreitendes Home Office entnommen werden. Im Falle einer Auslandstätigkeit, die nicht unter Telearbeit fällt, gilt weiterhin die Regelung des Artikels 13 der VO (EG) 883/2004, nach der die Sozialversicherungszuständigkeit vom Tätigkeits- in den Wohnsitzstaat der Arbeitnehmer:innen wechselt, wenn diese zumindest 25% ihrer Tätigkeit im Wohnsitzstaat erbringen.
Anwendung des Progressionsvorbehalts im Quellenstaat
Aufgrund des VwGH-Erkenntnisses vom 7.9.2022 und der darauffolgenden Änderung der Einkommensteuerrichtlinien wird Österreich einen Progressionsvorbehalt bei der Ermittlung des inländischen Steuersatzes auch dann berücksichtigen, wenn Österreich nur der abkommensrechtliche Quellenstaat ist. Die Neuregelung stellt eine wesentliche Änderung der bisherigen Praxis dar, nach der ein Progressionsvorbehalt ausschließlich auf in Österreich abkommensrechtlich ansässige Steuerpflichtige angewendet wurde. Diese Regelung kommt erstmalig für das Veranlagungsjahr 2023 zur Anwendung.
Änderung der Grenzgänger:innenregelung im DBA zwischen Österreich und Deutschland
Durch das am 21.8.2023 unterzeichnete Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) wurde die zwischen Österreich und Deutschland bisher geltende Grenzgänger:innenregelung im Hinblick auf die zunehmende Tätigkeit im Home Office neu gefasst. Bislang setzte die Grenzgänger:innenregelung des Artikels 15 Abs. 6 DBA grundsätzlich ein tägliches Pendeln zwischen dem Arbeitsort in einem Staat und dem Wohnsitz im anderen Staat (Ansässigkeitsstaat) voraus.
Laut der Neuregelung, die ab 1.1.2024 in Kraft treten wird, ist es für die Anwendung der Grenzgänger:innenregelung ausreichend, wenn Arbeitnehmer:innen ihre Tätigkeit innerhalb einer gesetzlich definierten Grenzzone ausüben. Ist diese Voraussetzung erfüllt, dann wird das Besteuerungsrecht ab dem Jahr 2024 dem Ansässigkeitsstaat der betroffenen Arbeitnehmer:innen zustehen, selbst wenn sie ihre Tätigkeit im Home Office erbringen. In Fällen, in denen die Grenzgänger:inneneigenschaft aufgrund einer wiederkehrenden Tätigkeit außerhalb der Grenzzone nicht gegeben ist, ist das Besteuerungsrecht zwischen Österreich und Deutschland auf Basis der Arbeitstage im jeweiligen Staat aufzuteilen. Wie in unserem ausführlichen Beitrag zum Thema „Änderung der Grenzgänger:innenregelung“ bereits erläutert ist, soll eine Liste der Gemeinden, die in der gesetzlich relevanten Grenzzone liegen, im Rahmen einer Konsultationsvereinbarung veröffentlicht werden.
Autorinnen:
Julia Mäder |
Cornelia Stangl |
Ansprechpersonen:
Thomas Neumann thomas.neumann@bdo.at +43 5 70 375 - 1720 |
Katja Reichl katja.reichl@bdo.at +43 5 70 375 - 1463 |
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