Veröffentlichung: RWZ, 5/2019
Autoren: Patloch-Kofler/Schmitzer
Weder in der Bewertungspraxis noch im akademischen Schrifttum konnte sich bislang eine dominierende Vorgehensweise zur Berücksichtigung von Wechselkursen etablieren. Daraus ergab sich eine in Deutschland fortwährend geführte Diskussion rund um die mögliche Eignung von Terminkursen als Schätzer für künftige Wechselkurse (vor allem zur Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte). Während die Argumente gegen die Anwendung der Terminkurse durchaus berechtigt sind, ist dennoch ein Mangel an einer Alternative dazu zu konstatieren.1
Die voranschreitende Integration der weltweiten Kapitalmärkte hat sich insb im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2008 bemerkbar gemacht. Auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten ist ebenfalls eine Globalisierung mit zunehmenden grenzüberschreitenden Aktivitäten der Unternehmen zu beobachten. Aufgrund des herrschenden Systems flexibler Wechselkurse ist die Profitabilität der Unternehmen mit grenzüberschreitender Tätigkeit auch von Wechselkursänderungen abhängig. Nicht nur auf Unternehmensseite ist deshalb eine Sensibilität bezüglich des Wechselkursrisikos zu erkennen, sondern auch auf Investorenseite ist zu beobachten, dass deren Wertpapierportfolios eine zunehmende Internationalisierung aufweisen und somit immer mehr von Wechselkursrisiken betroffen sind.2
Bei der Bewertung von Unternehmen mit Fremdwährungseinnahmen und -ausgaben stellt sich indes ganz grundlegend die Frage, wie die in verschiedenen Fremdwährungen prognostizierten Zahlungen zu einem einzigen, in einheitlicher Währung denominierten Betrag - für österreichische Unternehmen üblicherweise in EUR - zusammengefasst werden können. Anders ausgedrückt erfordert die Bewertung von Unternehmen mit fremdwährungsabhängigen Zahlungsströmen für deren Umrechnung in die Referenzwährung eine Methode zur Wechselkursprognose. Unsicherheiten hinsichtlich der Wechselkursänderungen bestehen jedoch nicht nur für die Zahlungsströme des Bewertungskalküls, sondern auch für den Kapitalisierungszinssatz, wo je nach Abhängigkeit der Währung im Zahlungsstrom der entsprechende Zinssatz anzuwenden ist.
Bislang hat sich in der Bewertungspraxis noch keine dominierende Vorgehensweise zur Prognose von Wechselkursen etablieren können. Die Frage nach der dafür geeigneten Methode führte jedoch jüngst in der einschlägigen deutschen Fachliteratur zur Unternehmensbewertung zu einer kontrovers geführten Diskussion, wie (künftige) Wechselkurse angemessen berücksichtigt werden können.3 Denn in jüngerer Zeit wird - abgeleitet von der Spruchpraxis deutscher Höchstgerichte4 - für diese Zwecke die mögliche Verwendung von Terminkursen, also die Preise für eine spätere Auslieferung von Fremdwährung im Rahmen von Devisentermingeschäften, diskutiert.5
Der Beitrag bringt die in Deutschland geführte Diskussion auf den Punkt und untersucht die Eignung von Terminkursen im Lichte des österreichischen Fachgutachtens zur Unternehmensbewertung KFS/BW 1.
In den einschlägigen Bewertungsrichtlinien zur Unternehmensbewertung finden sich keine expliziten Äußerungen zum Umgang mit Fremdwährungen bzw. Wechselkursen. Vielmehr sind die zukünftigen Zahlungsströme gem. KFS/BW 1 Rz 68 f auf ihre Plausibilität hin zu beurteilen und in diesem Sinne ist auch die Wahl der Wechselkurse in der Planungsrechnung zu berücksichtigen. Denn grundsätzlich sind Planungsrechnungen nicht auf ihre Richtigkeit, sondern auf Plausibilität zu prüfen und diese ist gegeben, wenn die Prognosen nachvollziehbar, konsistent und frei von Widersprüchen sind.6
Auch das IDW gibt bislang keine konkrete Empfehlung ab, wie Wechselkurse in der Unternehmensbewertung zu berücksichtigen sind. Hinsichtlich der Plausibilitätsbeurteilung konkretisiert das IDW jedoch die in der Stellungnahme S 1 zur Unternehmensbewertung angeführten Rz 81 und geht darin auf die sogenannte externe Plausibilität ein.7 In diesem Rahmen sind "Informationen über die vergangene und zu erwartende Entwicklung der für das betrachtete Unternehmen bedeutsamen Absatz- und Beschaffungsmärkte" zu betrachten.8 Sämtliche Analysen, die diesbezüglich angestellt werden, sind nach Rz 31 "hinsichtlich der Auswirkungen auf die einzelnen Elemente der Unternehmensplanung zu beziehen". Insbesondere wird die Auswirkung geldpolitischer Entwicklungen auf Wechselkurse und in weiterer Folge auf den Finanzplan genannt. Im korrespondieren IDW-Praxishinweis (2/2017) ist weiters festgehalten, dass Marktanalysen und volkswirtschaftliche Prognosen die für Wechselkursannahmen relevanten Plausibilitätsmaßstäbe darstellen.9
Weiterführende Vorgaben liefern die Bewertungsrichtlinien oder ergänzenden Empfehlungen nicht.
Das Bewertungskonzept des objektivierten Unternehmenswertes stellt eine Unternehmensbewertung dar, welche von den Adressaten bzw. Verfahrensbeteiligten intersubjektiv nachprüfbar sein soll.10 Insbesondere bedeutet dies, dass das Ermessen des Bewerters auszuschalten oder zumindest zu begrenzen ist.11 Marktchancen und -risiken sind hingegen vollumfänglich zu berücksichtigen. Bewertungen nach dem Konzept des objektivierten Unternehmenswertes werden immer dann erforderlich, wenn das Gesetz, allgemein formuliert, einen Abfindungsanspruch vorsieht (neben Abfindungsansprüchen im Rahmen von Gesellschafterausschlüssen bzw. Squeeze Outs sind darunter auch Erbauseinandersetzungen und Erbteilungen, Pflichtteilsansprüche sowie Abfindungsfälle im Familienrecht zu subsumieren). Der objektivierte Unternehmenswert ist auch dann zu ermitteln, wenn Beteiligungen zu bewerten sind, für welche nach Maßgaben des AFRAC 24 eine Veräußerungsabsicht besteht.12
Der subjektive Unternehmenswert stellt hingegen einen Grenzpreis dar, welcher - dem Subjektivitätsprinzip13 folgend - sämtliche individuellen Möglichkeiten und Erwartungen des Bewertungssubjekts enthält. Die Voraussetzung der intersubjektiven Nachprüfbarkeit ist dabei grundsätzlich nicht erforderlich.14 Der subjektive Unternehmenswert ist nach AFRAC 24 ebenfalls eine für die Beteiligungsbewertung relevante Wertgröße und ist anzusetzen, wenn für die Beteiligung keine Veräußerungsabsicht besteht. Zwar sind auch in diesen Fällen Synergieeffekte zu berücksichtigen, im Lichte der gebotenen Willkürfreiheit des Wertansatzes bei der unternehmensrechtlichen Jahresabschlusserstellung müssen die getroffenen Annahmen jedoch einem Drittvergleich standhalten.15
Hinsichtlich der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts und der dabei geforderten Nachprüfbarkeit konstatiert Ruiz de Vargas, dass bei der Bewertung von Zahlungsströmen in Fremdwährungen wohl ausschließlich Terminkurse zur Umrechnung zum Einsatz kommen können. Diese wären sämtlichen anderen Prognosemethoden überlegen und i.d.S. auch im Rahmen der Methodenfreiheit in einer rechtsgeprägten Unternehmensbewertung von den Gerichten präferiert. Mit dieser Ansicht stößt Ruiz de Vargas eine Diskussion rund um die Eignung von Terminkursen zur Berücksichtigung künftiger Wechselkurse in der Unternehmensbewertung an. Die Überlegenheit der Terminkurse wird von Müller/Schultheiß nämlich nicht nur angezweifelt, sondern gar gänzlich ausgeschlossen, da sie der Terminkurs-Methode konzeptionelle Mängel i.Z.m. einer objektivierten Unternehmensbewertung unterstellen. Begründet wird dies ua mit einem fehlenden Marktbezug von Terminkursen. Auf die Diskussion wird in der Folge noch näher eingegangen.
Bei Unternehmensbewertungen von in Fremdwährung operierenden Unternehmen bzw Einheiten können je nach Bewertungsanlass die direkte (auch Fremdwährungsansatz) oder die indirekte (auch Referenzwährungsansatz) Methode zur Umrechnung der in der Fremdwährung denominierten Zahlungsströme zur Anwendung kommen.16
Abbildung 1: Direkte vs indirekte Methode zur Berücksichtigung von Wechselkursen 17
Bei der direkten Methode werden die in einer Fremdwährung geplanten zukünftigen Zahlungsströme mittels eines Zinssatzes diskontiert, der die ausländischen Kapitalkosten widerspiegelt. Der Barwert der Zahlungsströme wird anschließend mit dem zum Bewertungsstichtag beobachtbaren Kassakurs in die Referenzwährung umgerechnet.
Aufgrund erhöhter Nachvollziehbarkeit ist die direkte Methode insb bei der Bewertung von ausländischen Gesellschaften vorteilhaft, die als in sich geschlossene Einheit separat aus lokaler Perspektive beurteilt werden können. Tritt bspw eine Tochtergesellschaft als selbstständig operierende Teileinheit auf, die keine Interdependenzen zu anderen Gesellschaften des gleichen Entscheidungsträgers aufweist, kann bei der Bewertung der überwiegend in Fremdwährung geplanten Zahlungsströme vorzugsweise die direkte Methode zur Anwendung kommen.18
So ist die direkte Methode auch im Rahmen von Werthaltigkeitstests iSv IAS 36 ("Wertminderung von Vermögenswerten") anwendbar. Künftige Zahlungsströme sind demnach in der Währung zu schätzen, in welcher sie generiert werden. Anschließend sind sie mit einem "für diese Währung angemessenen Abzinsungssatz" abzuzinsen. Der Barwert ist letztlich mithilfe des am Tag der Berechnung des Nutzungswerts geltenden Kassakurses in die funktionale Währung nach IAS 21 umzurechnen.19
Hinsichtlich der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts ist in der deutschen Stellungnahme IDW S 1 in Rz 31 festgehalten, dass bei gesellschaftsrechtlichen und vertraglichen Bewertungsanlässen der Unternehmenswert "aus der Perspektive einer inländischen unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person als Anteilseigner" zu ermitteln ist. Unter Berücksichtigung dieser Prämisse ist auch der Kapitalisierungszinssatz zu ermitteln. Müller/Schultheiß folgern, dass deshalb die Anwendung der direkten Methode zur Berücksichtigung der Wechselkurse nicht sachgemäß sein kann.20 Das Fachgutachten KFS/BW 1 enthält diese Restriktion nicht. Bei einer Unternehmensbewertung nach KFS/BW 1 sind somit grundsätzlich beide Methoden zulässig.
4.2. Indirekte Methode
Bei der indirekten Methode werden die in Fremdwährung geplanten Zahlungsströme in einem ersten Schritt mit dem prognostizierten Wechselkurs in die Referenzwährung umgerechnet und anschließend mit einem auf Grundlage inländischer Kapitalkosten ermittelten Zinssatz abgezinst.21
Durch die Umrechnung der Zahlungsströme der einzelnen Planjahre in die Referenzwährung erfolgt eine Bewertung des Unternehmens aus einer Inlandsperspektive. Für die einzelnen Planjahre ist der jeweilige (prognostizierte) Wechselkurs notwendig.
Die indirekte Methode kommt regelmäßig bei der Bewertung von Unternehmen mit Zahlungsströmen in unterschiedlichen Währungen zur Anwendung bzw bei einer konzerndimensionalen Unternehmensbewertung, in welcher Zahlungsströme von mehreren Tochterunternehmen in verschiedenen Währungen zu bewerten sind.
4.3. (Theoretischer) Gleichklang beider Methoden
Das theoretische Fundament der modernen Unternehmensbewertung mit Blick auf die Discounted-Cashflow-Verfahren unter Anwendung des CAPM gehen von einem vollkommenen Markt aus. Diese Prämisse unterstellt ua, dass jeder Marktteilnehmer vollständig informiert ist und dadurch keine (risikolosen) Arbitragegewinne oder -verluste erzielt werden können.22 Unter dieser Prämisse führt sowohl der direkte als auch der indirekte Ansatz zur Berücksichtigung der Fremdwährungen zum gleichen Unternehmenswert.23 In der Bewertungspraxis ist noch nicht abschließen diskutiert, ob bzw unter welchen Voraussetzungen die beiden Ansätze tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen.24
Ein einfaches Beispiel einer Bewertung eines künftigen in USD notierten Zahlungsstroms auf Basis von Marktdaten und unter Zuhilfenahme eines entsprechenden Terminkurses zeigt den marginalen Unterschied der beiden Methoden, welcher auf eine nur geringfügige Informationsasymmetrie hinweist.
Abbildung 2: Methodenvergleich anhand einer risikolosen Zahlung in einem Jahr 25
Es erfolgt eine risikolose Zahlung i.H.v. 100 USD in einem Jahr. Der Barwert dieser Zahlung in EUR wird einerseits mittels direkter und andererseits mittels indirekter Methode ermittelt, wobei der Barwert auf Basis der indirekten Methode (zunächst Umrechnung in EUR mittels Terminkurses und anschließende Abzinsung mittels Basiszinses in EUR) um nur EUR 0,39 niedriger ist. Die Differenz der beiden Methoden ist umso größer, wenn die Informationsasymmetrie am Devisenmarkt ausgeprägter ist. Das wird u.U. bei der Bewertung von Unternehmen in Emerging Marktes tragend, in welchen Devisenmärkte regelmäßig weniger Liquidität aufweisen.26
5.1. Methodenwahl
Die Literatur empfiehlt grundsätzlich die Anwendung der direkten Methode.27 So hält Loderer/Wälchli fest, dass die direkte Methode dem normalen DCF-Verfahren entspricht:28 Das Unternehmen wird der Methode entsprechend bewertet (in der Fremdwährung) und das Bewertungsergebnis danach nur mehr mit dem Kassakurs in die Referenzwährung umgerechnet. Eine Prognose der künftigen Wechselkurse ist dadurch nicht notwendig. Die indirekte Methode, wonach jeder Zahlungsstrom zunächst in die Referenzwährung umgerechnet und erst danach abgezinst wird, ist hingegen nur dann anzuwenden, wenn die nötigen Daten zum ausländischen Kapitalmarkt fehlen, um die ausländischen Kapitalkosten zu ermitteln. Denn die indirekte Methode erfordert eine Prognose der Wechselkurse, dafür jedoch keine ausländischen Kapitalkosten, während die direkte Methode nicht mit zukünftigen Wechselkursen arbeitet, dafür jedoch mit ausländischen Kapitalkosten.
Die Auswahl der geeigneten Methode hängt somit wesentlich von der Informations- und Datenlage zur Wechselkursentwicklung einerseits bzw zum Kapitalisierungszinssatz andererseits ab. Denn während nach IDW S 1 die Methodenwahl (zumindest für die Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts für gesellschaftsrechtliche und vertragliche Bewertungsanlässe) auf die indirekte Methode beschränkt ist, hat sich nach KFS/BW 1 der Bewerter (jedenfalls letztlich im Rahmen der Plausibilitätsbeurteilung der Planung entsprechend der Rz 68 ff KFS/BW 1) die Frage zu stellen, ob der ausländische Kapitalisierungszinssatz oder der zukünftige Wechselkurs zuverlässiger zu ermitteln ist.
5.2. Schätzung künftiger Wechselkurse
Hinsichtlich der Anwendbarkeit der indirekten Methode ist deshalb fraglich, wie die zukünftigen Wechselkurse geschätzt werden können. Während sich Ruiz de Vargas deutlich für die Anwendung von Terminkursen ausspricht, ist diese Präferenz im Schrifttum nicht allgemein gültig. Außerdem kommt in der Bewertungspraxis regelmäßig auch noch eine (vereinfachte) alternative Variante der Berücksichtigung von Wechselkursen zur Anwendung.
5.2.1. Terminkurse
Der Terminkurs entspricht dem Preis für eine spätere Auslieferung einer Fremdwährung im Rahmen von Devisentermingeschäften. Wechselkurse werden dabei als Vermögenspreis angesehen (asset market approach). In einem effizienten Markt sollten - aufgrund von risikolosen Arbitragemöglichkeiten - zwei alternative, ökonomisch identische Anlagen nicht unterschiedlich bepreist sein: Bspw sollte eine Anlage in EUR die gleiche Rendite liefern wie eine Anlage in US-Dollar (USD), bei der der USD heute zur Spot Rate gekauft, angelegt und zugleich der USD-Erlös aus der Anlage zum Terminkurs verkauft wird. In beiden Fällen handelt es sich im Ergebnis um risikofreie Anlagen in EUR, die demnach gleich bepreist sein sollten, um risikofreie Arbitragemöglichkeiten auszuschließen.29 Die Zinssätze beider Anlagen stellen somit dieser Theorie entsprechend die Basis für den künftigen Wechselkurs dar (gedeckte Zinsparitätentheorie).30
Kommt aufgrund fehlender Angebote am Devisenmarkt (z.B. bei langen Laufzeiten) kein Marktpreis des Terminkurses zustande, berechnen Banken einen (synthetischen) Terminkurs auf Basis dieser gedeckten Zinsparitätentheorie.31
Die ungedeckte Zinsparitätentheorie (Uncovered Interest Parity) baut hingegen auf ungesicherte Anlagen auf - es würden in obigem Beispiel die USD-Erlöse also nicht per Devisentermingeschäft kursgesichert, sondern zum unsicheren künftigen Kassakurs verkauft. Die Uncovered Interest Parity ist die Grundlage für die Hypothese, der Terminkurs stehe mit der künftigen Wechselkursentwicklung in Verbindung, da sie unterstellt, dass die erwartete künftige Wechselkursentwicklung gerade den Zinsunterschied der beiden Währungen kompensieren sollte, damit keine erwarteten Renditeunterschiede entstehen. Beträgt etwa der langfristige risikolose Zinssatz für USD 6% und jener für EUR 4% und die ungedeckte Zinsparitätentheorie hält, dann ist eine jährliche Aufwertung des EUR i.H.v. 2 % gegenüber dem USD zu erwarten.32 Dahinter stehen aber keine risikolosen Arbitrageprozesse, sondern riskante Spekulationsgeschäfte. Es liegt ein Wechselkursrisiko vor.
Im Allgemeinen wird bei der Terminkurs-Methode unterstellt, dass die Entwicklung der Wechselkurse einem sogenannten Random-Walk unterliegt, welcher einem bestimmten Trend folgt. Dieser Trend begründet sich im Wesentlichen auf der periodenspezifischen, relativen Zinsdifferenz.33
Für die Bewertungspraxis werden Daten zu Terminkursen von mehreren Anbietern zur Verfügung gestellt. Je nach Abhängigkeit der Laufzeit und Währung variiert der Umfang des Datenangebots. Dabei sind i.d.R. Terminkurse für Laufzeiten bis zu 30 Jahren verfügbar, wobei z.T. auf synthetische (bzw. interpolierte) Terminkurse zurückgegriffen wird.
5.2.2. Wechselkursprognosen durch Analystenschätzungen
Eine Alternative zur Terminkurs-Methode stellt das Heranziehen von Analystenschätzungen dar,34 um künftige Wechselkurse in der Planungsrechnung zu berücksichtigen. Bei den Prognosemodellen der Analysten wird aus einem makroökonomischen Erklärungsmodell der zugehörige Wechselkurs geschätzt. Die in das Erklärungsmodell eingehenden makroökonomischen Parameter sind daher mit ihrem künftigen Wert zum (jeweiligen) Prognosehorizont zu schätzen. Damit wird das Problem der Prognose von Wechselkursen auf die Prognose der erforderlichen Parameter verlagert.35 Hier treten in Abhängigkeit der verwendeten Faktoren nicht zu unterschätzende Messprobleme der erforderlichen makroökonomischen Parameter für jede Planungsperiode auf.
Empirische Untersuchungen zeigen außerdem eine starke Korrelation zwischen den Wechselkursprognosen von Analysten und den entsprechenden Terminkursen.36 Bestehen jedoch signifikante Unterschiede zwischen dem Terminkurs und dem prognostizierten Wechselkurs, muss aufgrund der Markteffizienzhypothese davon ausgegangen werden, dass die Prognose aller Marktteilnehmer jener einzelner Analysten überlegen ist. Diese regelmäßige Überlegenheit der Terminkurse gegenüber den Analystenschätzungen ist empirisch evident.37
5.2.3. Vereinfachte Wechselkurs-Berücksichtigung mittels Kassakurs-Methode
Die denkbar einfachste Methode zur Schätzung künftiger Wechselkurse basiert auf der Annahme, dass sich der am Prognosezeitpunkt gegebene Parameterwert, also der am Markt zu beobachtende aktuelle Kassakurs, über alle künftigen Planperioden nicht verändern wird (diese Prämisse wird deshalb als naive Prognose bezeichnet).38 Im Vergleich zur Terminkurs-Methode wird somit ein Random-Walk ohne dahinterliegenden Trend unterstellt.39
Bei geringer Zinsdifferenz zwischen den gefragten Währungen ist der Unterschied zum entsprechenden Terminkurs in Bezug auf die Prognosegenauigkeit zwar idR gering,40 dennoch ist die fehlende Berücksichtigung der Zeitpräferenz im Vergleich zur Terminkurs-Methode va hinsichtlich der Eignung im Rahmen der objektivierten Unternehmenswerte kritisch.41 Zwar zeigt sich aus empirischen Ex-post-Betrachtungen, dass die Kassakurs-Methode oftmals andere Prognoseverfahren hinsichtlich der Prognosegenauigkeit übertrifft, eine generelle Überlegenheit der Kassakurs-Methode kann jedoch nicht festgestellt werden.42
Bei Anwendung der Kassakurs-Methode ist uE dennoch jedenfalls die Wechselwirkung der Zinskurven der Währungsländer bei Diskontierung der zukünftigen Zahlungsströme zu berücksichtigen. Dies kann mittels Inflationsdifferential erfolgen.
Vor allem in Bezug auf die Rsp und den dort geforderten objektivierten Unternehmenswert (und den damit einhergehenden, für die Gerichte relevanten Grundsätzen zur Methodenwahl)43 konstatiert Ruiz de Vargas (uE zu Recht), dass die Anwendung von Terminkursen den anderen Methoden zur Schätzung künftiger Wechselkurse überlegen ist. Denn der Devisenmarkt ist ein hochliquider Markt. Terminkurse sind auf diesem Markt beobachtbar und damit auch intersubjektiv nachvollziehbar. Damit erfüllen sie grundsätzlich das Kriterium der Objektivierung. Die Begründung von Ruiz de Vargas für die Eignung von Terminkursen für die Bestimmung der künftigen Zahlungsströme in Euro-Beträgen im Rahmen der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts ist somit einleuchtend: Der Terminkurs ist am Markt beobachtbar und damit intersubjektiv nachprüfbar; er scheint wegen seines Zukunftsbezugs besser geeignet als der Kassakurs, also der Preis für eine sofortige Auslieferung der Fremdwährung. Da der Terminkurs (auf Basis der Zinsparitätentheorie) auf dem Kassakurs basiert, enthält er nicht nur sämtliche Marktinformationen, die auch der Kassakurs widerspiegelt. Er enthält auch die Zeitpräferenz.
Müller/Schultheiß entgegnen in der in Deutschland geführten Diskussion dieser Ansicht mit zwei Gegenbehauptungen. Zum einen halten sie fest, dass Datenanbieter wie bspw Bloomberg Terminkurse mit Laufzeiten von bis zu 30 Jahren zur Verfügung stellen. Die am Markt gehandelten Terminkurse haben jedoch i.d.R. überwiegend kurze Laufzeiten, weshalb den übrigen Laufzeiten "jeweils formelmäßige, synthetische Berechnungen zugrunde" liegen,44 welche als Basis die gedeckte Zinsparitätentheorie verwenden. Die Autoren attestieren somit ein Fehlen des für die objektivierte Unternehmensbewertung notwendigen Marktbezuges der Terminkurse.
Die fehlende intersubjektive Nachvollziehbarkeit ist u.E. jedoch vor allem bei Analystenschätzungen gegeben. Diese basieren meist zunächst wie Terminkurse ohnehin auf der Zinsparitätentheorie und werden darüber hinaus um subjektive Markteinschätzungen zu Länderrisiken etc von den Analysten angepasst. Die Nachvollziehbarkeit erschließt sich hier grundsätzlich nicht. Der bloße Zugang zu diesen Analystenschätzungen auf großen Datenanbietern stellt nicht das alleinige Kriterium der Objektivierung dar.
Außerdem stellen Müller/Schultheiß fest, dass aufgrund der synthetischen Berechnung Terminkurse ausschließlich vom Kassakurs und zukünftigen Zinsdifferenzen abhängen und somit eigentlich keine Aussagen über zukünftige Wechselkursentwicklungen wiedergeben, die über die Informationen im Kassakurs hinausgehen.45 Effiziente Devisenmärkte sind jedoch dadurch gekennzeichnet, "dass sich in der Wechselkursbildung sämtliche für die Kursbildung relevanten und verfügbaren Informationen niederschlagen".46 Ruiz de Vargas führt mit Bezug auf Moritz/Stadtmann aus, dass Terminkurse bei informationseffizienten Kapitalmärkten eben bereits alle Informationen über den künftigen Kassawechselkurs berücksichtigen.47
Weiters ist der Terminkurs ein Marktpreis, der wegen der Markteffizienz alle den Marktteilnehmern zur Verfügung stehenden Informationen enthält und somit deren Erwartungen über die künftige Wechselkursentwicklung hinreichend genau abbildet.48 Auch den synthetisch ermittelten Terminkursen kann der Marktbezug somit nicht abgesprochen werden.49
Bei der Bewertung von Unternehmen mit Fremdwährungseinnahmen und -ausgaben stellt sich ganz grundlegend die Frage, wie die in verschiedenen Fremdwährungen prognostizierten Zahlungen zu einem einzigen, in einheitlicher Währung denominierten Betrag zusammengefasst werden können. Die Bewertung von Unternehmen mit fremdwährungsabhängigen Zahlungsströmen erfordert somit eine Methode zur Wechselkursprognose. Weder in der Bewertungspraxis noch im akademischen Schrifttum konnte sich jedoch bislang eine dominierende Vorgehensweise dazu etablieren.
Hinsichtlich der vorgelagerten Frage, ob der Wechselkurs mittels der indirekten oder direkten Methode berücksichtigt werden soll, ist vor allem mit Blick auf den objektivierten Unternehmenswert festzuhalten, dass die deutsche Stellungnahme S 1 des IDW aufgrund der Typisierung des Bewertungssubjekts die direkte Methode praktisch ausschließt und der Kapitalisierungszinssatz aus Sicht eines typisierten Anteilseigners zu ermitteln ist. Nach IDW S 1 ist die Prognose künftiger Wechselkurse somit erforderlich, wenn der objektivierte Unternehmenswert ermittelt wird.
Das Fachgutachten KFS/BW 1 kennt diese Einschränkung nicht. Letztlich hat der Bewerter somit im Einzelfall im Rahmen der Plausibilitätsbeurteilung zu entscheiden, ob eine materielle Plausibilität der Planung vorliegt. Dazu sind gem KFS/BW 1 Rz 71 "die der Planung zugrunde liegenden Annahmen kritisch zu würdigen". Insofern steht es dem Bewerter natürlich offen, ob er die direkte oder indirekte Methode zur Umrechnung der in Fremdwährung notierten Zahlungsströme wählt, bzw auf Basis welcher Methode zukünftige Wechselkurse geschätzt werden sollen.
Hinsichtlich der Frage einer geeigneten Methode zur Herleitung zukünftiger Wechselkurse bietet sich neben anderen vor allem die Anwendung von am Markt beobachtbaren oder alternativ synthetisch berechneten Terminkursen an. Einerseits besteht dabei - wie Ruiz de Vargas in der in Deutschland geführten Diskussion (mittlerweile mehrmals) zeigte - Konsistenz zum von KFS/BW 1 zur Berechnung der Kapitalkosten geforderten CAPM. Andererseits können Terminkurse die Anforderungen der Nachvollziehbarkeit für die Objektivierung von Unternehmenswerten erfüllen. UE stellt die Terminkurs-Methode somit ein mit KFS/BW 1 konzeptionell konsistentes - und in der Bewertungspraxis ohnehin weit akzeptiertes - Verfahren zur Berücksichtigung künftiger Wechselkurse dar.
Die Anwendung der geeigneten Methode zur Berücksichtigung der Wechselkurse hängt letztlich jedoch maßgeblich vom jeweiligen Bewertungszweck und der Planungsrechnung ab. So kann auch das Heranziehen von Analystenschätzungen sachgemäß sein, sofern diese den Maßgaben der Nachvollziehbarkeit entsprechen und im Einklang mit den sonstigen Planungsannahmen stehen.
Verwendete Literatur:
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1 Dieser Beitrag wurde ua durch Vorträge von Prof. Dr. Martin Jonas und Dr. Christoph Fröhlich am 23. 10. 2018 an der Wirtschaftsuniversität Wien angeregt.
2 Vgl Ruiz de Vargas/Breuer (2015a), Unternehmensbewertung im internationalen Kontext mit dem globalen CAPM, BewertungsPraktiker 1/2015a, 2.
3 Siehe Ruiz de Vargas (2018a), Prognosemethoden für marktdeterminierte Wechselkurse bei rechtlich geprägten Unternehmensbewertungen, BewertungsPraktiker 2/2018a; Müller/Schultheiß (2018), Sieben gängige Irrtümer bei der Forward Rate basierten Wechselkursprognose im Rahmen rechtlich geprägter Unternehmensbewertungen, BewertungsPraktiker 2/2018; Ruiz de Vargas (2018b), Prognosemethoden für marktdeterminierte Wechselkurse bei rechtlich geprägten Unternehmensbewertungen - Antwort, BewertungsPraktiker 4/2018b. Die Autoren diskutieren indes weiter. Nach der Replik von Ruiz de Vargas zu Müller/Schultheiß folgte eine Duplik letztgenannter Autoren, der wiederum eine Triplik folgte; abrufbar unter: https://www.eacva.de/diskussionen (Stand 19.3.2019).
4 Siehe dazu die Ableitung von Ruiz de Vargas (2018a) 34 f.
5 Vgl Schultheiß/Schultze (2017), Wechselkurse in der Unternehmensbewertung, WPg 24/2017, 1478.
6 Vgl bspw Aschauer/Purtscher (2011), Einführung in die Unternehmensbewertung 276.
7 Vgl IDW Praxishinweis 2/2017 Rz 28-35.
8 IDW Praxishinweis 2/2017 Rz 28.
9 Siehe auch Müller/Schultheiß (2018) 98.
10 Vgl Wollny (2018), Der objektivierte Unternehmenswert3 4; Castedello (2018)‚ Methodik der Unternehmensbewertung, in IDW (Hrsg), WPH Edition - Bewertung und Transaktionsberatung, Kapitel A Rz 33, bzw. KFS/BW 1 Rz 16, wonach der objektivierte Unternehmenswert unter typisierten Annahmen zu ermitteln ist.
11 Vgl Moxter (1983), Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung2 33.
12 Vgl AFRAC 24 - Beteiligungsbewertung (UGB) (März 2018) Rz 13 ff.
13 Vgl Aschauer/Purtscher (2011) 102.
14 Vgl Castedello (2018) Kapitel A Rz 34 f, bzw KFS/BW 1 Rz 19.
15 Vgl AFRAC 24 Rz 9 bzw. Erläuterung zu Rz 9.
16 Siehe bspw Ruiz de Vargas (2018a) 35 f und dort angeführte Literatur.
17 Vgl Vortragsunterlagen von Dr. Fröhlich von seinem Vortrag am 23.10.2018 an der Wirtschaftsuniversität Wien.
18 Zur konzerndimensionalen Unternehmensbewertung siehe ua Meichelbeck (2015)‚ Unternehmensbewertung im Konzern, in Peemöller (Hrsg), Praxishandbuch der Unternehmensbewertung 838 ff.
19 Vgl IAS 36.54 bzw. IDW Rs HFA 40.
20 Vgl Müller/Schultheiß (2018) 108.
21 Vgl Ruiz de Vargas (2018a) 36.
22 Vgl hierzu Kruschwitz/Löffler, Discounted Cashflow (2006) 19 ff. Dies wird auch als das fundamentale Finanzierungstheorem ("Fundamental Theorem of Finance") bezeichnet, vgl. Ross, Neoclassical Finance (2005) 5.
23 Vgl Berk/DeMarzo (2017), Corporate Finance4 1060, 1064 f; O’Brien (2004), Foreign Exchange and Cross-Border Valuation, Journal of Applied Corporate Finance 2-3/2004, 147.
24 Vgl Castedello (2018), Kapitel A Tz 224, bzw Müller/Schultheiß (2018) 107.
25 Aufgrund der aktuellen monetären Zinskurve im Euroraum, die einen Diskontierungssatz von -0,58% ergeben würde, wurde der Bewertungsstichtag per 31.12.2014 gewählt.
26 Vgl Hofbauer (2010), Unternehmensbewertung in Emerging Markets, CFOaktuell 10/2010, 170.
27 Vgl Hofbauer (2010), Kapitalkosten bei der Unternehmensbewertung in den Emerging Markets Europas 48 und dortige Quellen.
28 Vgl. Loderer/Wälchli (2010), Handbuch der Bewertung - Band 2: Unternehmen5.
29 Vgl. Schultheiß/Schultze (2017) 1480.
30 Vgl. z.B. O’Brien (2004) 147.
31 Vgl. Schultheiß/Schultze (2017) 1480 und die dort angeführte Literatur, bzw. auch Koller/Goedhart/Wessels (2015), Valuation: Measuring and Managing the Value of Companies6 461.
32 Vgl. Ruiz de Vargas (2018a) 38; O’Brien (2004) 147.
33 Vgl. Moritz/Stadtmann (2011), Monetäre Außenwirtschaft2 184.
34 Analystenschätzungen werden bspw von dem Datenanbieter Bloomberg zur Verfügung gestellt.
35 Vgl. Ruiz de Vargas (2018a) 48.
36 Vgl. Pierdzioch/Stadtmann (2011), Fly with the Eagles or Scratch with the Chickens - Zum Herdenverhalten von Wechselkursprognostikern, Kredit und Kapital 4/2011, 465-490.
37 Vgl. Bofinger/Schmidt (2003), Wie gut sind professionelle Wechselkursprognosen? ifo Schnelldienst 17/2003, 7-14.
38 Vgl. Makridakis/Wheelwright/Hyndman (1984), Forecasting: Methods and Applications, Journal of the Operational Research Society 1/1984, 48 ff.
39 Vgl. Eun/Resnick (2018), International Financial Management8 159.
40 Vgl. Ruiz de Vargas (2018a) 44.
41 Vgl. Krugman/Obstfeld/Melitz (2018), International Finance: Theory and Policy11 74.
42 Vgl. Alquist/Chinn (2008), Conventional and Unconventional Approaches to Exchange Rate Modelling and Assessment, International Journal of Finance and Economics 13/2008, 2 ff; Ruiz de Vargas (2018a) 44.
43 z.B. BGH 29. 9. 2015, II ZB 23/14, Stinnes-Entscheidung RN 42: "Das Bewertungsziel einer dem wahren Wert möglichst nahekommenden Schätzung spricht für die Anwendung einer neuen Berechnungsmethode, wenn sie besser geeignet ist, also eine größere Annäherung an den "wahren" Unternehmenswert verspricht, oder sie Fehler oder Unzulänglichkeiten einer alten Berechnungsweise behebt." Außerdem in RN 33: "Entscheidend ist, dass die jeweilige Methode in der Wirtschaftswissenschaft oder Betriebswirtschaftslehre anerkannt und in der Praxis gebräuchlich ist."
44 Vgl. Müller/Schultheiß (2018) 98.
45 Vgl. Müller/Schultheiß (2018) 100; ähnlich auch Schultheiß/Schultze (2017).
46 Moritz/Stadtmann (2011) 183.
47 Vgl. Ruiz de Vargas (2018b) 118 iVm Moritz/Stadtmann (2011) 155.
48 Vgl. Ruiz de Vargas (2018a) 39, 41.
49 Vgl. Ruiz de Vargas (2018b) 117.