VPR-Wartungserlass 2024 - Entwurf zur Begutachtung

Am 15.7.2024 endete die Begutachtungsfrist für den VPR-Wartungserlass 2024. Der Entwurf sieht umfassende Anpassungen der Verrechnungspreisrichtlinien 2021 vor, die aufgrund der Veröffentlichung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien (OECD-VPL) 2022 sowie laufender Wartungsanforderungen seit 2021 notwendig wurden. Alle Verweise auf die OECD-VPL wurden auf die Fassung von 2022 angepasst; zudem wurden folgende Klarstellungen vorgenommen:
 

Kostenbasis bei kostenorientierter Verrechnungspreismethode – durchlaufende Kosten (Rz 42)

Es wird klargestellt, dass die Kostenbasis für den Gewinnaufschlag in der Regel nur jene Kosten umfasst, die direkt in den originären Wertschöpfungsprozess des Leistungserbringers einfließen. Wie auch bisher bereits in der Praxis gelebt, sind lediglich an den:die Leistungsempfänger:in weitergereichte Kosten im Sinne von „Vermittlungsleistungen“ nicht in die Kostenbasis einzubeziehen und ohne Zuschlag oder mit einer Handlingfee für den administrativen Aufwand weiter zu verrechnen. Das neu aufgenommene Beispiel 2 in Rz 42 suggeriert, dass auch auf externe, zugekaufte Leistungen ein identer Gewinnaufschlag anzuwenden ist - wie auf die originäre wertschöpfende Aktivität (im vorliegenden Beispiel etwa 15%). Dies kann vielfach jedoch zu einer überhöhten Verrechnung führen; auch ein fremder Dritter wird kaum bereit sein, zweifach den vollen Gewinnaufschlag zu vergüten („mark-up on mark-up“). Eine entsprechende Klarstellung wäre wünschenswert.
 

Vergleichbarkeitsüberlegungen bei Margenermittlung durch Datenbanken (Rz 74, 199a)

Die Finanzverwaltung hebt hervor, dass bei Datenbankrecherchen die Vergleichbarkeit der Rechnungslegungsvorschriften sichergestellt sein muss; es sollten lokale Vergleichsunternehmen mit denselben Rechnungslegungsvorschriften bevorzugt werden. Eine ausreichende Vergleichbarkeit kann auch durch Anpassungsrechnungen bei dem geprüften Unternehmen (tested party) erreicht werden. Insbesondere bei konzerninternen Auftragsforscher:innen wird die ausreichende Vergleichbarkeit der Kostenbasis betont: Da es in den meisten Ländern keine der österreichischen Forschungsprämie vergleichbaren steuerlichen Maßnahmen gebe, sei oft eine Anpassungsrechnung bei der tested party notwendig. Auch bei vergleichbaren Förderungen in anderen Ländern müssen unterschiedliche Bilanzierungsmethoden bzw. -wahlrechte berücksichtigt werden, da sie zu Unterschieden in der Kostenbasis führen können.

Das Erfordernis von Anpassungsrechnungen aufgrund abweichender, ausländischer Rechnungslegungsstandards erscheint überschießend und kaum praktikabel (da etwa ein solches Detail in verwendeten Datenbanken wie Amadeus nicht verfügbar ist). Anzumerken ist zudem, dass durch die EU-Bilanzrichtlinie die Rechnungslegungsstandards innerhalb der EU weitestgehend harmonisiert wurden.
 

Aufwendungen im Anteilseignerinteresse im Zusammenspiel mit dem Abzugsverbot gem. §12 (2) KStG (Rz 102, Rz 127) 

Die Klarstellung, dass Kosten für „Shareholder Activities“, d.h. Leistungen, die im Interesse der Anteilseigner:innen getätigt werden, auf Ebene der Muttergesellschaft in der Regel nicht vom Abzugsverbot gemäß § 12 Abs. 2 KStG erfasst sind, da ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang bei solchen Aufwendungen (insbesondere für in Rz 103 aufgezählte Dienstleistungen) in der Regel nicht gegeben ist, ist begrüßenswert. Die Inanspruchnahme von Bürgschaften aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses und daraus resultierende Aufwendungen sind jedoch sehr wohl als nicht abzugsfähig im Sinne § 12 (2) KStG zu qualifizieren.  
 

Berücksichtigung der Gruppenzugehörigkeit bei Ratingermittlung (Rz 115)  

Neu hinzugefügt wurde die Klarstellung, dass das Rating einer Konzerngesellschaft grundsätzlich mit dem Rating der Konzernspitze limitiert ist und nicht besser sein kann als das Konzern-Rating (negativer Konzernrückhalt). In bestimmten Fällen kann es jedoch angemessener sein, das Rating einer Konzerngesellschaft isoliert von der Gruppe zu bestimmen, wodurch es besser als das Konzern-Rating sein kann. Die Finanzverwaltung bedient sich hier der Begriffsdefinition der sogenannten „Insulated companies“ gemäß der Standard & Poor’s Group Rating Methodology: Wenn die Konzerngesellschaft operativ und finanziell nicht wesentlich mit dem Konzern verbunden ist oder andere Faktoren vorliegen, die die Konzerngesellschaft vor einem Vermögensabfluss bei Zahlungsschwierigkeiten der Konzernspitze schützen (z.B. spezifische, nationale rechtliche Rahmenbedingungen, bestimmte Minderheitsgesellschafter mit wirtschaftlichem Einfluss auf die operative Geschäftstätigkeit), kann eine isolierte Betrachtung des Ratings zweckmäßiger sein.

Die S&P Group Rating Methodology bietet weitere, detaillierte Erläuterungen zur Begriffsbestimmung einer „insulated company“, auf die auch die Finanzverwaltung in jüngsten Betriebsprüfungen zurückgegriffen hat – ein Blick in die entsprechende Veröffentlichung von S&P ist daher lohnend!
 

Cash-Pooling (Rz 123, 124)  

Die Finanzverwaltung plant massive Verschärfungen zur Beurteilung der kurzfristigen Veranlagung im Cash Pool, die auch im Widerspruch zur aktuellen BFG-Judikatur (siehe etwa BFG 30.6.2015, RV/5101410/2012) stehen. Zur Analyse, ob im Cash Pool getätigte Einlagen in langfristige Finanzierungsgeschäfte umzuqualifizieren sind, soll zukünftig die „Current Ratio“ (Verhältnis Umlaufvermögen zu kurzfristigen Verbindlichkeiten) zur Anwendung kommen: Gemäß anerkannter betriebswirtschaftlicher Grundsätze würde eine ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführung grundsätzliche nur das zur Absicherung der kurzfristigen Zahlungsfähigkeit notwendige Ausmaß an Barmitteln bzw. kurzfristigen Finanzierungsmitteln halten. Jenes „notwendige Ausmaß an Barmitteln bzw. kurzfristigen Finanzierungsmitteln“ soll anhand von branchenüblichen Werten unabhängiger Unternehmen mit guter Kapitalstruktur bestimmt werden. Ist die Current Ratio (viel) höher als (branchen)üblich, so ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse jener Teil der Cash Pool Einlage, der die kurzfristig notwendigen Veranlagungsbeträge übersteigt, als ein langfristiges Finanzierungsgeschäft umzuqualifizieren und fremdüblich zu verzinsen. 

Nebst dem Widerspruch zur aktuellen BFG-Judikaturlinie bleibt u.a. auch unklar, welche Quelle zur Ermittlung von branchenüblichen Werten heranzuziehen wäre und wie im Detail die Ermittlung (z.B. auf Basis einjähriger/mehrjähriger Daten) zu erfolgen hat. Auch erfolgt mit der Definition einer „(branchen)üblichen“ Current Ratios ein massiver Eingriff in die Finanzierungs- und Veranlagungsfreiheit des Steuerpflichtigen. Die Verwendung der „Current Ratio“ lässt sich zudem auch nicht aus den OECD-VPL 2022 ableiten und stellt folglich eine massive Verschärfung der bestehenden Bestimmungen und der Praxis dar.
 

Konzerninterne Auftragsforschung (Rz 148) 

Die Finanzverwaltung hat klargestellt, dass eine Vergütung auf Basis der Erstattung der Kosten zuzüglich eines kleinen Kostenaufschlags nur dann angemessen ist, wenn Auftraggebende, die gemäß Vertrag die Kontrolle von F&E-Risiken wahrnehmen sollen, über entsprechend fachkundiges technisches Personal zur Durchführung, Konzeption und Überwachung der Forschungsleistungen verfügen (control over risk-Konzept). Warum der Auftraggeber über fachkundiges technisches Personal auch zur Durchführung verfügen sollte, erscheint unklar. Diese Anforderung erscheint überschießend und steht auch nicht in Einklang mit den OECD-VPL 2022.
 

Konzernstrukturänderungen (Rz 178)  

Die Finanzverwaltung stellt klar, dass bei Konzernstrukturänderungen, die sich über mehrere Wirtschaftsjahre erstrecken, separat verwirklichte Transaktionen als Teil einer einheitlichen Konzernstrukturänderung in ihrer Gesamtheit betrachtet werden müssen. Dies gilt auch dann, wenn die einzelnen Transaktionen in verschiedenen Jahren stattfinden.
 

Reorganisationsentschädigungen (Rz 180, 185, 185a, 186) 

Bei der Beendigung von Auftragsverhältnissen können Entschädigungen notwendig sein, insbesondere wenn das beauftragte Unternehmen erhebliche Investitionen getätigt hat, die noch nicht vollständig amortisiert sind (z.B. Investitionsschutzklauseln). Ohne eine solche Klausel würde eine ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführung keine langfristigen und erheblichen Investitionen tätigen und dafür nur eine geringe Vergütung auf Kostenbasis mit einem moderaten Gewinnaufschlag akzeptieren. Auch sind gegebenenfalls die Kosten für etwa Sozialpläne zu entschädigen, wenn dem Routineunternehmen andernfalls kein angemessener betrieblicher Gesamtgewinn verbleibt. Der Umstand, dass die Schließung zu einer besseren Auslastung anderer Konzernstandorte führt und somit einen wirtschaftlichen Vorteil für den Gesamtkonzern darstellt, kann zudem auch für den Ersatz der gesamten Restrukturierungsaufwendungen sprechen.
 

Forschungsprämie und staatliche Nothilfen (Rz 199, 199b)   

Die Finanzverwaltung plant, die Weitergabe des Vorteils aus der Forschungsprämie sowie aus staatlichen Nothilfen an den ausländischen Auftraggeber einer verschärfenden Überprüfung zu unterziehen. 
Fehlen verlässliche Vergleichsdaten oder Anpassungsmöglichkeiten, stellt die österreichische Finanzverwaltung die pauschale Vermutung an, dass die staatlichen Zuschüsse grundsätzlich nicht an den Konzernauftraggeber weitergegeben werden (dürfen).
 

Länderbezogene Berichterstattung (Rz 432 ff)   

Es wurden seitens Finanzverwaltung diverse Aktualisierungen basierend auf der neuesten Version der OECD-Leitlinien zur Umsetzung der länderbezogenen Berichterstattung vorgenommen.
 

Fazit

Der VPR-Wartungserlass 2024 enthält zahlreiche wichtige Klarstellungen und Anpassungen. Hervorzuheben sind insbesondere die neu eingeführten Begrifflichkeiten der „insulated companies“ zur Rating-Ermittlung sowie der Current Ratios zur Beurteilung der kurzfristigen Veranlagung im Cash Pool, die auch für die Praxis erhebliche Auswirkungen haben würden. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die vorgeschlagenen Änderungen tatsächlich Eingang in die österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien finden werden.
Link zum vollständigen Begutachtungsentwurf: Klicken Sie hier, um den vollständigen Entwurf des VPR-Wartungserlasses 2024 zu lesen.
 


Autor:innen 

Tanja Roschitz

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      Marco Szvitlak

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