Mit dem Nationalen Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022 (kurz: NEHG 2022) hat die Gesetzgebung ein weiteres Instrument zur Erreichung der Klimaziele erschaffen. Mittels Bepreisung von Treibhausgasemissionen (kurz: THG-Emissionen) bestimmter Energieträger wird die Wirtschaft in Richtung ökologischer und innovativer Technologien gelenkt.
Geltungsbereich
Der Wirkungsbereich des NEHG 2022 umfasst das Inverkehrbringen der Energieträger Benzin, Gasöl (Diesel), Heizöl, Erdgas, Flüssiggas, Kohle und Kerosin im Rahmen der Sektoren Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und kleine Industrien. Diese Sektoren unterliegen nicht dem europäischen Emissionshandel und werden daher mit NEHG 2022 erstmalig einer Preisbelastung unterworfen, um auf diese Weise den Weg für emissionsärmere Energieträger attraktiver zu gestalten.Jede:r, der eines oder mehrere der im Gesetz genannten Energieträger in den freien Verkehr bringt, wird durch das NEHG 2022 „Handelsteilnehmer“ genannt und ist verpflichtet, entsprechende Emissionszertifikate zu erwerben. Dieser Erwerbsvorgang stellt einen Kostenfaktor dar, mit dem die THG-Emissionen aus den importierten Brennstoffen belastet werden. Der tatsächliche Konsum durch die Endverbraucher:innen ist dabei nicht von Bedeutung, sondern die importierte Menge. Ein Emissionszertifikat entspricht dabei einer Tonne Kohlenstoffdioxidäquivalente. Der Erwerb eines nationalen Emissionszertifikats ist daher die Hauptvoraussetzung für das Inverkehrbringen von Energieträgern.
Systematik
Das NEHG 2022 stellt kein vollendetes Emissionshandelssystem dar. Vielmehr wurde ein Regelwerk für den stufenweisen Ausbau eines Handelssystems konstruiert, das 4 Phasen durchläuft:- Die Einführungsphase, die bereits zum 31.12.2023 abgeschlossen wurde, hat vereinfachte Berichtspflichten für die Handelsteilnehmer mit sich gebracht.
- Die Fixpreisphase, in der wir uns gerade befinden, umfasst den Zeitraum vom 1.10.2022 bis zum 31.12.2025 und wie schon der Name sagt, sieht fixe Preise pro Tonne THG je Kalenderjahr vor:
- 2022 EUR 30
- 2023 EUR 32,50
- 2024 EUR 45
- 2025 EUR 55
- In der Übergangsphase, die die Kalenderjahre 2024 und 2025 umfasst, kommt das Regelverfahren für Handelsteilnehmer zur Anwendung, um den Handelsteilnehmern den Einstieg in das Emissionshandelssystem zu ermöglichen.
- Am 1.1.2026 erfolgt der Startschuss für die Marktphase, in der die nationalen Emissionszertifikate am freien Markt gehandelt werden und die THG-Emissionen einer marktabhängigen Bepreisung unterworfen werden.
Die Berechnung der THG-Emissionen für jeden Energieträger erfolgt anhand der in der Anlage 1 des NEHG 2022 festgelegten Emissionsfaktoren pro Einheit (z.B. bei Benzin 2,38 kg/Liter). Die Menge der in Verkehr gebrachten Energieträger wird mit dem jeweiligen Emissionsfaktor multipliziert. Das Resultat dieser Multiplikation entspricht der für die Zertifikatsabgabe relevanten Gesamtmenge an THG-Emissionen.
Befreiungen und Entlastungen
Das NEHG 2022 sieht folgende Befreiungen vor:- Befreiung für EU-ETS-Anlagen, da diese bereits durch den europäischen Emissionshandel umfasst sind und daher einer Bepreisung unterliegen.
- Befreiung für Bagatellfälle, bei denen im Kalenderjahr weniger als eine Tonne THG-Emissionen in Verkehr gebracht werden.
- Befreiungen für Handelsteilnehmer, die bereits Steuerbefreiungen im Bereich der Energieabgaben unterliegen.
Um die Kostenbelastung aus THG-Emissionen auf der Wirtschaftslandkarte gezielt zu steuern, wurden bestimmte Entlastungen für Sektoren mit hohem Energiebedarf festgelegt:
- Land- und Forstwirtschaft: Der Verbrauch an Gasöl (Diesel) durch land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge, Maschinen und Geräte zum Antrieb wird im Wege einer pauschalierten Rückvergütung entlastet. Der entsprechende Vergütungsantrag ist bei der Agrarmarkt Austria (AMA) innerhalb eines festgelegten Antragsstellungszeitraums zu stellen.
- Energieintensive Betriebe sowie bestimmte Betriebe, die durch die THG-Abgabe einem Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit oder einer Produktionsverlagerung ins Ausland bedroht sind (sog. Carbon Leakage), sind:
- Die Entlastungsmaßnahme steht für Energieträger zu Heizzwecken (z.B. Gasöl, Erdgas, Kohle) zu und kann von einem breiten Spektrum von Betrieben geltend gemacht werden. Das Ausmaß der Entlastung beträgt für energieintensive Betriebe 45% und für Carbon Leakage zwischen 65% und 95% der Mehrbelastung.
- Der Antrag für die Entlastungsmaßnahme für 2024 ist vom 1.5.2025 bis zum 30.6.2025 bei der zuständigen Behörde (dem Amt für den nationalen Emissionshandel, AnEH) elektronisch über das Online-Portal „Nationale Emissionszertifikatehandel-Informationssystem (NEIS)“ zu stellen. Im Vorfeld der Einreichung muss der Antrag von einem:r Steuerberater:in, Wirtschaftsprüfer:in oder Bilanzbuchhalter:in auf die formelle und inhaltliche Richtigkeit geprüft werden.
Reinvestition
Die entlasteten Betriebe sind verpflichtet, mindestens 80% der gewährten Entlastung nachweislich innerhalb von 12 Monaten ab Auszahlung der Entlastungsmaßnahme in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren. Als solche gelten jene Maßnahmen, die innerhalb des entlasteten Betriebs oder Teilbetriebs zu einer Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen oder zur Verringerung des Energieverbrauchs führen. Wird die Reinvestition nicht fristgerecht oder nicht in voller Höhe nachgewiesen, ist die Entlastung entsprechend zurückzuzahlen.Das NEHG 2022 setzt einen neuen Rahmen für den Klimaschutz in Österreich und schafft ein neues dynamisches Emissionshandelssystem. Um bei der Vielfalt an gesetzlichen Anforderungen und Erleichterungen den Durchblick zu erlangen, die wichtigsten Punkte im Fokus zu behalten und mögliche Optimierungsschritte zu setzen, ist ein proaktives Auseinandersetzen mit dem Thema THG-Emissionen essenziell.