Aliquotes und volles Pendlerpauschale

Auch bei zwei oder mehreren Dienstverhältnissen steht einem:r Arbeitnehmer:in im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß zu. Dieser Beitrag gibt einen Überblick darüber, wie das Bundesfinanzgericht zur Ermittlung der Höhe des Pendlerpauschales beim Zusammentreffen von vollen und aliquoten Pendlerpauschalen - entgegen der derzeitigen Verwaltungspraxis - entschieden hat.

BFG 19.9.2023, RV/7100082/2020
  • Volles vs. aliquotes Pendlerpauschale: Voraussetzung für die Berücksichtigung eines vollen Pendlerpauschales ist, dass der:die Arbeitnehmer:in an mindestens 11 Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Ist dies nicht der Fall, kommt ein aliquotes Pendlerpauschale in Betracht (⅓ für 4 bis 7 Tage bzw. ⅔ für 8 bis 10 Tage im Kalendermonat).
  • Großes vs. kleines Pendlerpauschale: Beträgt die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindestens 20km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, so steht dem:der Arbeitnehmer:in lediglich das sog. „kleine“ Pendlerpauschale zu. Ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels hingegen zumindest hinsichtlich des halben Arbeitswegs nicht möglich oder nicht zumutbar und beträgt der Arbeitsweg mindestens 2km, so gebührt dem:der Arbeitnehmer:in das sog. „große“ Pendlerpauschale. Die jeweilige Höhe des Pendlerpauschales ist gestaffelt und von der Entfernung abhängig (mehr als 20km/40km/60km).
  • NEU: Zusammentreffen von vollen und aliquoten Pendlerpauschalen: Sofern für ein Dienstverhältnis das volle und für ein anderes Dienstverhältnis ein aliquotes Pendlerpauschale zusteht, können im Rahmen der Veranlagung beide Beträge kumuliert gewährt werden, sofern das weitere Dienstverhältnis mit zusätzlichen Wegstrecken verbunden ist. Einem:r Arbeitnehmer:in steht jedoch auch bei mehreren Dienstverhältnissen im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß (maximal drei Drittel) zu. Die Höhe des gesamten Pendlerpauschales ist somit mit dem vollen Pendlerpauschale für die rechnerisch kumulierte Strecke aus beiden Dienstverhältnissen begrenzt. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit (und somit für die Frage, ob das „kleine“ oder das „große“ Pendlerpauschale zusteht) sind dabei laut Lohnsteuerrichtlinien (LStR 2002 Rz 272d) jene Verhältnisse maßgebend, die dem vollen Pauschale zugrunde liegen. Entgegen den LStR erschien dem Bundesfinanzgericht (BFG) jedoch eine Orientierung an der längeren Wegstrecke sachgerechter.
  • Anlassfall: Im konkreten Fall war eine Arbeitnehmerin zeitweise gleichzeitig in zwei Dienstverhältnissen beschäftigt, wobei das zweite Dienstverhältnis mit einer zusätzlichen Wegstrecke verbunden war:
    • Für das erste Dienstverhältnis stand der Arbeitnehmerin grundsätzlich ein volles „kleines“ Pendlerpauschale i.H.v. EUR 1.356 jährlich zu, weil sie die Strecke (53km) an mehr als 10 Tage pro Kalendermonat fuhr und ein Massenbeförderungsmittel zumutbar war.
    • Für das zweite Dienstverhältnis ergab sich grundsätzlich ein im Ausmaß von zwei Drittel aliquotes „großes“ Pendlerpauschale i.H.v. EUR 2.448 jährlich, weil sie die Strecke (65km) an nur 8 bis 10 Tagen pro Kalendermonat fuhr, aber ein Massenbeförderungsmittel auf überwiegender Strecke nicht möglich bzw. zumutbar war. 

Beide Beträge zusammen ergeben somit EUR 3.804 jährlich, der Höchstbetrag ist jedoch mit dem vollen Pendlerpauschale für die rechnerisch kumulierte Strecke begrenzt. Die Strecke aus beiden Dienstverhältnissen zusammen beträgt weit mehr als 60 km (118km). Ob dabei nun das „kleine“ oder das „große“ Pendlerpauschale zur Anwendung kommt, hängt nach derzeitiger Verwaltungspraxis von der Zumutbarkeit beim vollen Pendlerpauschale (hier: erstes Dienstverhältnis) ab. 

Im konkreten Fall hätte sich die Zumutbarkeit der Benutzung eines Massenbeförderungsmittels beim ersten Dienstverhältnis jedoch so ausgewirkt, dass maximal das volle „kleine“ Pendlerpauschale (für mehr als 60km) i.H.v. EUR 2.016 jährlich zur Anwendung gekommen wäre. Dadurch hätte sich für beide Dienstverhältnisse zusammen ein geringerer Betrag als bei isolierter Betrachtung des zweiten Dienstverhältnisses ergeben. Dieser in den LStR empfohlenen Vorgangsweise folgte das BFG allerdings nicht. Stattdessen orientierte es sich dabei an der längeren Wegstrecke (hier: zweites Dienstverhältnis) und gewährte den Höchstbetrag des großen Pendlerpauschales i.H.v. EUR 3.672 jährlich.

Das BFG wich von der empfohlenen Vorgehensweise der Lohnsteuerrichtlinien ab; eine Anpassung der Lohnsteuerrichtlinien an das BFG-Erkenntnis bleibt abzuwarten. 
 


Autorin:

Julia Mäder

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