Weltumspannende Veränderungen wie Geopolitik, Klimawandel, Digitalisierung und gesellschaftlicher Wandel wirken auf die bisher gewohnten Rahmenbedingungen ein und stellen so gut wie alle Branchen unter Druck. Vor allem der Energiesektor ist dabei besonders stark betroffen, wie Sie in unserem ersten Artikel lesen können. Um auf diese Vielzahl an Anforderungen reagieren zu können, suchen Energieversorgungsunternehmen (EVU) nach neuen Lösungen und Wegen. In unseren beiden vorherigen Beiträgen zeigten wir, dass EVU dabei im Besonderen auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung setzen. Um diese beiden Themen erfolgreich umzusetzen, braucht es vor allem eines mehr denn je: frische Innovationen.
In diesem finalen Artikel der Reihe „Energieversorger der Zukunft“ fokussieren wir uns auf etablierte EVU in der Branche und geben Ihnen konkrete Impulse, wie Sie die innovativen Kräfte Ihrer Organisation stärken. Wir erklären, welche Aspekte dabei den entscheidenden Unterschied darstellen und zeigen am Beispiel unseres Kunden Cycleenergy Holding GmbH, was das für EVU konkret bedeutet. Am Ende erhalten Sie einige Impulsfragen, um Ihre eigene Innovationskraft zu stärken.
Veränderungen im Unternehmen mit Mindset und Form vorantreiben
Wir starten mit der für Organisationen grundlegenden Gestaltung von Mindset und Form und gehen auf die für Sie relevantesten Aspekte ein.
Abbildung 1: Ausprägungen von Mindset und Form
Die linke Seite der Abbildung veranschaulicht eine Organisation, deren Fokus auf dem Mindset liegt. Das wiederum generiert viele Ideen, jedoch mangelt es an Form bzw. Prozessen und Strukturen zu deren Umsetzung. Dem ist ein Unternehmen gegenübergestellt, dessen Formverliebtheit überwiegt. Beide Extreme hindern gleichermaßen den Innovationserfolg. Im Idealfall erzeugt die Balance von Mindset und Form ein starkes Innovationsmomentum.
Etwas generalisierend gesprochen, sind Start-ups im Vergleich zu etablierten Konzernen agil aufgestellt und setzen innovative Ideen schneller in der Praxis um. Nach Fehlschlägen sind sie oft in der Lage, sich sofort an neue Situationen zu adaptieren. Ihr Fokus liegt auf ihrem Mindset und sie werben mit Purpose, Vision, Mission sowie einer offenen Kultur. Dabei sind Prozesse und Strukturen der jungen Unternehmen in der Regel oft unstrukturiert, da sie erst im Entstehen sind.
Etablierte Konzerne und traditionsreiche Unternehmen hingegen – wie es die meisten EVU sind – legen ihren Fokus verstärkt auf ihre Form. Ihre Prozesse und Strukturen sind administrativ und hierarchisch gewachsen, wodurch das Mindset weniger gepflegt wird und die gelebte Kultur skeptischer gegenüber neuen Ansätzen ist. Formelle Hürden in der Organisation lassen viel Zeit vergehen, bis neue Ideen in der Praxis getestet und umgesetzt werden.
Die Balance zwischen Mindset und Form stellt für EVU das Ideal dar, um Innovation zu ermöglichen: Es gilt, offen zu sein für Optimierungsvorschläge und dabei gleichzeitig agil und schnell die Überprüfung der innovativen Ideen in der Praxis zu ermöglichen.
Wie EVU sich erfolgreich transformieren können
Eine erfolgreiche Transformation findet auf 3 Ebenen statt: dem Bewusstsein für die eigene Organisation, der Organisationsform und dem Mindset der Organisation.
Bewusstsein schaffen für Ihre Organisation
Die Integration des innovativen Spirits in Ihre Unternehmens-DNA löst Transformationen in Ihrer gesamten Organisation aus. Daher raten wir von der Flucht nach vorne ab, um keine Unsicherheiten in Ihrer Belegschaft zu riskieren. Für die Akzeptanz des Neuen muss zuerst Bewusstsein darüber geschaffen werden, welchen Nutzen das Bestehende hat – das sich in Mindset und Form äußert - und welche Teile davon behalten werden sollen. Wir empfehlen Ihnen daher, die Transformation von Mindset und Form strategisch zu planen und professionell zu begleiten.
Schärfen Sie den Blick für die Form Ihrer Organisation
Die Form der Organisation entsteht durch ihre Struktur und ihre Prozesse. Im Besonderen sind Entscheidungswege richtungsweisend für Innovationen. Der Innovationsvorteil tritt ein, wenn Wege kurz, Hierarchien flach und Entscheidungsprozesse dezentral sind. Dieser Vorteil gegenüber herkömmlichen Herangehensweisen liegt in der Agilität - wenn Mitarbeiter:innen schneller, direkter und regelmäßiger kommunizieren. Außerdem können auf diese Weise Fehlentscheidungen durch konstruktive Verbesserungsvorschläge rascher bearbeitet werden. Sich in kontinuierlicher Kreativität zu trainieren, stärkt also den Innovationsmuskel.
Die ideale Organisationsstruktur für die Realisierung und Förderung von Innovationen ist so aufgebaut, dass sie dezentrale Entscheidungsfindungen ermöglicht. Das bestärkt sowohl einzelne Teams als auch Firmenstandorte in ihrer Unabhängigkeit und macht sie zu Expert:innen vor Ort. Gleichzeitig müssen Prozesse klar definiert und für alle verständlich sein, um die entsprechenden Rahmenbedingungen für diese Unabhängigkeit zu schaffen. Damit vergangene Aussagen und Vereinbarungen für Außenstehende nachvollziehbar gemacht werden können, sind zudem Protokolle notwendig. Dadurch werden vor allem Entschlüsse und daraus abgeleitete Maßnahmen emotional begreif- und sachlich begründbar.
Akzentuieren Sie das Innovation-Mindset Ihrer Organisation
Innovationen werden durch eine agile Organisationsform begünstigt und basieren auf Vertrauen in Strukturen und Prozesse. Vertrauen ist eine Frage des Mindsets innerhalb der Organisation. Das Mindset einer Organisation zeigt sich durch deren Selbstverständnis hinsichtlich Einstellungen und Werten, die sich von einer geschlossenen bis offenen Haltung bewegen können. Innovationen entstehen durch Offenheit gegenüber verschiedenen und (von der Norm) abweichenden Blickwinkeln. Das Motto „Diversität erzeugt Vielfalt“ befeuert Innovationen.
Der eigene Blick auf die Welt entsteht aufgrund unterschiedlicher Herangehensweisen und wird durch die persönliche Ausbildung und Lebenserfahrung geformt. Dieser prägende Mix setzt sich bei jeder Person anders zusammen – und genau in dieser Heterogenität Ihrer Belegschaft liegt das Ressourcenpotenzial Ihres Unternehmens. Sie können dieses Innovationspotenzial direkt nutzen, indem Sie bereits vorhandene individuelle Zugänge in Ihren Teams so zusammenstellen, dass diverse bereichernde Blickwinkel kombiniert und innovative Talente gefördert werden. Besonders bei EVU bietet sich an, interdisziplinäre (Projekt-)Teams, in denen Expert:innen aus den verschiedensten Unternehmensbereichen wie beispielsweise den Kraftwerken, Verkauf, Kund:innenservice und Riskmanagement, neu zu kombinieren. Auf diese Weise setzen Sie transformierende Akzente in Ihrem Unternehmen, ermöglichen Synergieeffekte zwischen Teams und brechen Siloverhalten auf. Darüber hinaus fördern Sie in ihrer Organisation den Austausch von unternehmensinternem Wissen - nämlich generationenübergreifend.
In diesem Spannungsfeld unterschiedlicher Blickwinkel und Bedürfnisse von Jung und Alt liegt die Chance für Innovationen: Das Hinterfragen gewachsener und etablierter organisationaler Formen wie Strukturen und Prozesse erfordert ein Mindset, das „Infragestellung“ als positiven Mehrwert definiert. Erst dann verändert sich die Dynamik innerhalb Ihres Unternehmens effektiv. Sie etablieren dadurch ein psychologisch sicheres Umfeld und bestärken Ihr Personal, kreative Lösungsvorschläge anzuregen. Zufriedene Mitarbeiter:innen bringen sich mit all ihrem Wissen und ihrer (Lebens-)Erfahrung ein, um ihre Arbeit zu optimieren. Das zahlt auch auf Ihre Employer Brand ein - gerade in Zeiten von Fachkräftemangel und einer Pensionierungswelle von fast 70% in den nächsten 15 Jahren bei EVU ist das ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Innovatives Umfeld im Unternehmen erzeugen - das Beispiel unseres Kunden, dem österreichischen Energieunternehmen Cycleenergy Holding GmbH
Im gemeinsamen Gespräch erläutert Stephan Schuster Gründer der Cycleenergy Holding GmbH, wie seit Beginn der Gründungsgeschichte (2006) die passende Form und das notwendige Mindset aufgestellt wurde, um ein Umfeld der Innovationen zu schaffen. Die Cycleenergy ist im Bereich dezentraler Energielösungen auf Basis erneuerbarer Energien tätig und wird von BDO begleitet.
In den Anfangsjahren der Cycleenergy wurden Entscheidungen zentral in der Holding getroffen. Erst rund um das Jahr 2009, als die Organisationsform mit ihrer Zentrale und den Standorten eine gewisse Größe überschritten hatte, wurden Strukturen und Prozesse dezentralisiert. Wichtig dabei sind für Schuster „ganz kurze Wege und keine großartige Hierarchie.“ Außerdem betont er die Aspekte Vertrauen und Zusammenarbeit: „Was mir sehr gefällt, ist, dass wir in der Holding nicht über alles Bescheid wissen müssen, was die Standorte entscheiden und tun. Die Standorte tauschen sich untereinander sehr viel aus und kennen sich auch gut durch die Revisionen.“ Dafür ist es notwendig, die Strukturen und Rahmenbedingungen zu schaffen, damit geplante Innovationen auch umgesetzt werden können. Ein essenzieller Aspekt dabei ist für Cycleenergy, dass die meisten Entscheidungen dezentral getroffen werden.
Bevor es aber an die technische Problemlösung geht, steht der Mensch im Vordergrund, betont Schuster: „Meine Aufgabe sehe ich nicht darin, darüber zu reden, was wir technisch besser machen können. Es geht vielmehr darum, wie du die Leute in schwierigen Zeiten motivieren kannst.“ Wie bereits erwähnt, liegt das Potenzial im Personal im individuellen Mix an (Lebens-)Erfahrungen, Ausbildungen und Herangehensweisen. Daher investierte Cycleenergy bereits früh in Personen und entwickelte diese - ihrem Innovationsmindset folgend – dahingehend, dass sie zu eigenständigem Optimierungs- und Innovationsdenken motiviert und darin bestärkt werden. Gerade in der Energiebranche ist das Besondere, dass beim Bau von Kraftwerken sehr langfristig gedacht werden muss. Das erfordert auch weitreichende Planung in Bezug auf das Personal, die Weiterbildung und attraktive Anreizsysteme, um Mitarbeiter:innen zu halten. Dafür gibt es einen klaren Ausbildungsplan bei Cycleenergy, die sehr viel Wert auf eine ausgezeichnete Ausbildung ihrer Mitarbeiter:innen legt. Erst durch die Topausbildung entsteht das Verständnis über ihre täglichen Arbeitsschritte hinaus und das Interesse für die Zusammenhänge aller Produktions- und wertschöpfenden Schritte. Aufgrund dessen werden im Zuge hoher Qualifikationen diverse Arbeiten und Prüfungen, die bisher von externen Firmen erbracht wurden, bei Cycleenergy nun inhouse durchgeführt.
Zusammenfassend entstehen Innovationsideen bei Cycleenergy, weil das hohe Know-how Level jeder:s Einzelnen für die gesamte Prozesskette der Produktion gepaart mit eigenen unterschiedlichen Blickwinkeln und Erfahrungswerten wird und so die gemeinsame Diskussion von Ideen für Produktionsverbesserungen anregt. Dank flacher Hierarchien und dezentraler Strukturen werden Vorschläge sogleich während der Produktion getestet. So zeigt sich in der Praxis schnell, ob eine Idee zu einer Innovation führt.
Abschließend unterstreicht Schuster nochmals: „Unser Erfolg hat nur damit zu tun, dass wir in Innovationen, in Veränderungen und in Menschen investiert haben. Vielleicht menscheln wir ein wenig mehr als die anderen - und deswegen geht es uns auch so gut.“
Transformation im Unternehmen ist notwendig, um den weltumspannenden Veränderungen mit Innovationen zu begegnen. Folgende Impulsfragen helfen Ihnen, erste Ansätze in Ihrem Unternehmen zu finden und somit Ihre Innovationskraft zu fördern:
Form:
- Wie hierarchisch sind Ihre Prozesse? Sehen Sie Potenzial für deren Optimierung?
- Begünstigt Ihre aktuelle Organisationsstruktur eine schnelle Entscheidungsfindung?
Mindset:
- Welche Ressourcen können Sie in Ihrer Belegschaft durch Neuzusammenstellung der Teams stärken?
- Was tun Sie, um die Bereitschaft Ihrer Talente zu fördern, die eigene (Wissens-)Komfortzone zu verlassen und neue Aufgabenbereiche zu übernehmen?
Autor:innen:
Wanda Traeger wanda.traeger@bdo.at +43 5 70 375 - 1553 |
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Martina Zachhuber martina.zachhuber@bdo.at +43 5 70 375 - 1486 |
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