Aufhebung des Abzugsverbots für freiwillige Abfertigungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Z 8 EStG durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH)
Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 (AbgÄG 2014) hat der Gesetzgeber die steuerliche Abzugsfähigkeit freiwilliger Abfertigungsleistungen eingeschränkt. Der Gesetzgeber verfolgte damit die Zielsetzung, sogenannte „Golden Handshakes“ für Arbeitgeber:innen unattraktiver zu machen und damit Personalfreisetzungen zu erschweren. Dieses steuerliche Abzugsverbot hat seit der Einführung für Diskussionen in der Praxis gesorgt und auch die Höchstgerichte beschäftigt.
Am 24.6.2021 hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, die Gesetzesbestimmung auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, da der Gerichtshof Zweifel daran hegte, dass die Bestimmung dem Gleichheitssatz entspricht. Dieses Prüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof am 16.3.2022 abgeschlossen und das steuerliche Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z 8 EStG als verfassungswidrig qualifiziert.[1] Dieser Entscheidung kommt für die Praxis erhebliche Bedeutung zu. Die Aufhebung der Norm tritt mit Ablauf des 31.12.2022 in Kraft.[2] Im Nachfolgenden möchten wir Ihnen einen Überblick über die kürzlichen Entwicklungen und die Auswirkungen dieser Entscheidung geben.
Steuerliche Behandlung freiwilliger Abfertigungen seit dem AbgÄG 2014
Im Rahmen des AbgÄG 2014 wurde ein Abzugsverbot für Abfertigungsleistungen, die sonstige Bezüge i.S.d. § 67 Abs. 6 EStG darstellen, eingeführt, soweit diese Abfertigungsleistungen nicht mit dem Steuersatz von 6% zu versteuern sind. Nach ursprünglicher Ansicht der Finanzverwaltung waren aufgrund des Verweises auf Abfertigungen nach § 67 Abs. 6 EStG ausschließlich jene freiwilligen Abfertigungen weiterhin zum Betriebsausgabenabzug berechtigt, die an Mitarbeiter:innen des Systems „Abfertigung ALT“ neben ihres gesetzlichen Anspruchs ausbezahlt wurden. Hingegen wurden alle freiwilligen Abfertigungszahlungen an Mitarbeiter:innen des Systems „Abfertigung NEU“ als steuerlich nicht abzugsfähig qualifiziert, da diese keiner begünstigten Besteuerung unterliegen.
Dieser ursprünglichen Gesetzesinterpretation hatte der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) im Dezember 2020 eine Abfuhr erteilt.[3] Der VwGH hatte dabei entschieden, dass der Ausschluss der begünstigten Besteuerung für freiwillige Abfertigungen im System „Abfertigung NEU“ nicht dazu führen soll, dass diese auch vom Betriebsausgabenabzug zur Gänze ausgeschlossen sind. Vielmehr kann jener Betrag steuerlich abgezogen werden, der im System „Abfertigung ALT“ dem Steuersatz von 6% unterliegen würde. Das gilt sowohl für freiwillige Abfertigungen im Rahmen von Sozialplänen als auch für individuell vereinbarte Abfertigungen. Unter Zugrundelegung der Gesetzesmaterialien stellte der VwGH fest, dass der Gesetzgeber nur solche freiwilligen Abfertigungen vom Abzugsverbot i.S.d. § 20 Abs. 1 Z 8 EStG erfassen wollte, die ein bestimmtes nicht förderwürdiges Ausmaß übersteigen. Die Abzugsfähigkeit gilt daher unabhängig davon, ob die Zahlungen bei den Mitarbeiter:innen tatsächlich mit 6% besteuert werden können und welchem Abfertigungsregime die Arbeitnehmer:innen unterliegen.
Die Interpretation des Verwaltungsgerichtshofes war nunmehr auch für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Abzugsverbotes für Sozialplanabfertigungen durch den VfGH von Bedeutung. Der VfGH kam in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die unsachliche Differenzierung zwischen individuell vereinbarten freiwilligen Abfertigungszahlungen und solchen, die auf einem Sozialplan beruhen, nicht im Einklang mit dem verfassungsgesetzlich determinierten Gleichheitssatz[4] steht.
Der Auffassung des VfGH folgend sind Sozialpläne für betriebliche Maßnahmen vorgesehen, die für große Teile der Belegschaft mit wesentlichen sozialen und wirtschaftlichen Nachteilen verbunden sind und die diese Nachteile ausgleichen sollen. Daher sind im Rahmen eines Sozialplans vereinbarte freiwillige Abfertigungen nicht mit einem individuell vereinbarten „Golden Handshake“ im Zuge einer Arbeitgeber:innenkündigung vergleichbar. Der VfGH führt weiter aus, dass die Gleichbehandlung dieser beiden Arten von Abfertigungen sachlich nicht gerechtfertigt ist. Diese Schlussfolgerung lässt sich auch nicht durch eine verfassungskonforme Interpretation vermeiden, da bereits der VwGH klargestellt hatte, dass auch Abfertigungsleistungen im Rahmen von Sozialplänen – in gleicher Weise wie freiwillige Abfertigungsleistungen, die individuell vereinbart werden – unter das Abzugsverbot zu subsumieren sind. Vor diesem Hintergrund ist die zugrundeliegende Norm des § 20 Abs. 1 Z 8 EStG ersatzlos aufzuheben, da diese zu sachlich nicht begründbaren Differenzierungen führt.
Fazit
Folgewirkungen der Entscheidung des VfGH & Ausblick
Die Aufhebung der Norm tritt mit Ablauf des 31.12.2022 in Kraft und ist bis dahin weiterhin im Rechtsbestand. Lediglich für den zugrundeliegenden Anlassfall sowie sämtliche Fälle, die zum Zeitpunkt der Entscheidung ebenfalls beim VfGH anhängig waren, entfaltet die Aufhebung sofortige Wirkung. Abgesehen davon ist § 20 Abs. 1 Z 8 EStG grundsätzlich weiter anzuwenden. Zum heutigen Zeitpunkt ist ungewiss, welche Neuregelung der Gesetzgeber hinsichtlich der Abzugsfähigkeit von freiwilligen Abfertigungen treffen wird. Sollte eine solche Regelung nicht bis 1.1.2023 in Kraft sein, könnten freiwillige Abfertigungen unabhängig von ihrer Art sowie ihrer Höhe zur Gänze dem Betriebsausgabenabzug unterliegen.
Autorin:
Angelina Hölbl
angelina.hoelbl@bdo.at
+43 5 70 375 - 1383
[1] VfGH 16.03.2022 G 228/2021-8
[2] BGBl. I Nr. 56/2022
[3] VwGH 7.12.2020 Ro 2020/13/0013-4
[4] Art 7 B-VG
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