Im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Sharm El-Sheikh (COP27) diskutierten die letzten Wochen führende Politiker:innen und Expert:innen über die praktische Umsetzung des Kohle-, Gas- und Ölausstiegs. Die Gretchenfragen also, wenn es um die Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles aus dem historischen Abkommen von Paris 2015 (COP21) geht. Eine Abkehr von fossilen Energieträgern wurde zwar nicht beschlossen, aber die Konferenz brachte zumindest einen Fonds zur finanziellen Unterstützung ärmerer Länder hervor, die von den Folgen des Klimawandels besonders stark betroffen sind. In Europa geht die Frage des 1,5-Grad-Zieles währenddessen ihren eigenen Weg: Man vertraut auf maximale Transparenz und Offenlegung als Instrument, um mehr Nachhaltigkeit in Europas Wirtschaft zu bringen.
Die EU macht ernst beim Thema Nachhaltigkeit
Die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung gilt für das Berichtsjahr 2024 für alle, die bereits einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen und für Berichtsjahr 2025 für alle Großunternehmen, die zwei von den drei Kriterien >250 Mitarbeiter:innen, >20 Mio. € Bilanzsumme oder >40 Mio. € Umsatz erfüllen. Kleine und mittlere Unternehmen unterliegen zwar erst ab 2026 der gesetzlichen Berichtspflicht, können aber schon heute freiwillig ihre Nachhaltigkeitskennzahlen offenlegen. Ich möchte aber heute nicht auf die Standards zur Berichterstattung eingehen, sondern einen Schritt früher ansetzen – bei der Ermittlung und Bewertung der Nachhaltigkeit eines Unternehmens. Hier haben sich die ESG-Kriterien (Environment, Social and Governance) als Standard herauskristallisiert.
Das Thema ESG kommt ursprünglich aus der Finanzbranche und war als freiwilliges Risikobewertungsinstrument für Anleger:innen gedacht. Vor kurzem gab die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) in einer Aussendung bekannt, dass sie ihre strategischen Aufsichtsprioritäten der Union ändert, um neben Marktdaten auch die Offenlegung von ESG-Daten aufzunehmen. Die Behörde will Transparenz und Verständlichkeit von ESG-Angaben in der Wertschöpfungskette nachhaltiger Finanzprodukte wie Emittenten, Anlageverwalter:innen oder Wertpapierfirmen fördern und damit Greenwashing bekämpfen (näheres zu Green Finance können Sie in diesem Artikel von mir nachlesen).
Die Berichts- und Nachweispflicht ist nur einer von vielen Steinen, der die Nachhaltigkeitslawine ins Rollen bringt. Das Motto der EU lautet: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Den meisten Unternehmen ist das bewusst und ESG ist auf der Agenda des Top-Managements angekommen. Eine Mammutaufgabe für viele Unternehmen, die oftmals weder Zeit, Ressourcen noch Know-how dafür haben. Bei einigen Unternehmen herrscht eine gewisse Ruhe vor diesem „grünen Sturm“. Es wird auch unvermeidlich zu Kaskadeneffekten kommen und Unternehmen werden indirekt von den gesetzlichen Bestimmungen betroffen sein. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, kann sich in Zukunft kein Unternehmen und keine Organisationen bloße Lippenbekenntnisse mehr erlauben. Welche Maßnahmen Unternehmen in Zukunft ergreifen müssen, zeige ich im nächsten Abschnitt.
Das Zauberwort der Stunde heißt „ESG Tool“
In der Vergangenheit agierten viele Unternehmen passiv und zu wenig zielgerichtet. Nachhaltigkeit war z.B. im Vergleich zu einer vertrauten Bilanz wenig greifbar oder quantitativ messbar. So konnten Nachhaltigkeitsbestrebungen nicht so leicht in unternehmerische KPI‘s eingebettet werden. Wer aber sein Ziel nicht kennt, kann es schlicht nicht erreichen. Große und energieintensive Unternehmen griffen deshalb auf Energie- und Umweltmanagementsysteme zurück, um Nachhaltigkeit systematisch messbar und damit erreichbar zu machen, zum Beispiel über die Menge der angefallenen Emissionen, ein klar fassbarer und messbarer Wert. Diese Managementsysteme sind zu einem Goldstandard in Punkto ökologischer Nachhaltigkeit geworden. Aber diese Systeme sind nicht für alle Organisationen geeignet, da der Aufwand für die Implementierung viele überfordern würde, ebenso sind sie auch keine Alleskönner, dafür ist die Thematik ESG zu komplex.
Die Situation hat sich mittlerweile um 180 Grad gedreht. Zurzeit drängen eine Vielzahl an sogenannten ESG-Tools auf den Markt, die versprechen, die unternehmerische Nachhaltigkeit messbar und vergleichbar zu machen, sowie standardkonform Nachhaltigkeitsberichte generieren zu können. Die Entwickler:innen dieser Tools bieten ihren Kunden:innen Lösungen für alle relevanten ESG Themen an. Aber können sie das wirklich, oder sind einige untauglich, sodass Unternehmen Gefahr laufen ins Greenwashing abzurutschen?
Bevor ein Unternehmen ein ESG-Tool einsetzt, sollte es abklären, welche rechtlichen Anforderungen es heute und in naher Zukunft erfüllen muss. Diese „must-haves“ sollte das zukünftige Tool abdecken können. Ein späterer Toolwechsel kann nicht nur teuer werden, sondern auch zu einem rechtlichen Risiko anwachsen, wenn z.B. Informationen für die Berichtslegung oder externe Datenbereitstellung - Stichwort Lieferkettensorgfaltsgesetz – dabei verloren gehen.Die Auswahl der vorgestellten Tools stellt einen Querschnitt des Marktes dar und fokussiert sich auf etablierte Anbieter:innen, die bereits nennenswerte Referenzen vorweisen können. Nachfolgend sind für jedes Tool die angebotenen Leistungen in Bezug zu den ESG, der primäre Einsatzbereich, die Kompatibilität zur Berichterstattung und die Zielkundengruppe dargestellt.
Das Fazit ist durchwegs positiv
Es gibt schon sehr gute Lösungen für einzelne ESG-Aspekte am Markt, vor allem im Bereich „Environmental“. Das Thema Carbon Accounting ist bei allen betrachteten Tools die dominanteste Kernkompetenz. Keine Frage, die Auswirkungen der Treibhausgasemissionen auf den Klimawandel und deren Reduktion sind eines der dringendsten und wichtigsten Themen derzeit. Jene Tools, die den Fokus auf das Carbon Accounting legen, decken auch den Bereich Reporting sehr gut ab – andere ESG Aspekte kommen jedoch oft zu kurz. Tools aus dem Einsatzbereich EHS (Environmental, Health, Safety) können durch ihr breites Anwendungsgebiet die meisten ESG-Themen gut abdecken. Bei allen betrachteten Tools fällt aber auf, dass das Segment „Social“ oftmals gar nicht oder nur im Zusammenhang mit „Health and Safety“ betrachtet wird. Die Säule „Government“ wird vielfach durch Themen wie „Risikomanagement“ und „Stakeholder“ abgedeckt. Erweitere Themen wie z.B. Menschenrechte oder faire Arbeitsbedingungen auf Unternehmensebene und in der Lieferkette werden noch sehr wenig berücksichtigt. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es das „eine Tool“, welches alle Themen der ESG vollständig abdeckt, noch nicht gibt.
Die betrachteten Tools sind datengetrieben, visualisieren die Ergebnisse z.B. in Dashboards und lassen sich dank der vielen Schnittstellen einfach in die bestehende IT-Landschaft integrieren. Vorausgesetzt, die Organisation ist bereits „digital ready“ – hier rächen sich Versäumnisse in der Digitalisierung. Wer erst seine Mitarbeiter:innen schulen und zeitgemäße IT-Infrastruktur aufbauen muss, ist am Weg zu einem nachhaltigen Unternehmen auf der Slow-Lane unterwegs.
Die Zielgruppe der vorgestellten Tools sind mittlere und große Organisationen, da die Tools teils umfassende und integrierbare Systemlösungen bieten. Kleinere Unternehmen sind mit einfacheren Tools, die einen reduzierten Funktionsumfang bieten, besser bedient – auch in Anbetracht der Kosten für die großen Enterprise-Lösungen und der Tatsache, dass sie erst ab 2026 berichtspflichtig sind.
ESG Tools sind eine Investition in die Zukunft
Die gesetzlichen Anforderungen rund um Berichts- und Nachweispflichten steigen in den nächsten Jahren kontinuierlich an. Jetzt haben Unternehmen noch Zeit, um sich mit der ESG-Materie zu beschäftigen, Know-how und entsprechende Systemlösungen aufzubauen. Die vorgestellten ESG-Tools sind praktische Hilfsmittel, nicht nur um die Regulatorien einzuhalten, sondern auch, um gezielt an den richtigen Nachhaltigkeitsschrauben zu drehen. Investitionen in die Nachhaltigkeit sind gleichzeitig Investitionen in die Digitalisierung und mit einem entsprechendem Ressourcenaufwand verbunden. Die Unternehmen, die frühzeitig investieren, werden zukünftig von dieser Entscheidung profitieren. Gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen bedeutet, eine Führungsrolle einzunehmen. Führen kann nur der:diejenige, der:die sich selbst kennt. Kennen Sie ihre nachhaltigkeitsbezogenen Kennzahlen?
Wenn auch Sie ins Tun kommen wollen, aber noch nicht wissen wie, schauen Sie doch einfach bei den unseren Serviceseiten und lassen Sie sich beraten. BDO beschäftigt sich selbst intensiv mit ESG-Tools, und greift auch Themen auf, die noch nicht vom Markt abgedeckt werden, wie z.B. datenbasierte Tools zum Gender Balance Monitoring.