Digitalisierung

Die Trends der Digitalisierung treffen auch die Energieversorgungsunternehmen (EVU). Um auf diese zu reagieren und deren Potenzial hin zu einer ökonomisch und ökologisch nachhaltigen Energieversorgung zu nutzen, bedarf es auch in dieser Branche einer digitalen Transformation. Grundlage und Treiber dieser Transformation sind die Identifikation, Evaluierung und Umsetzung von Digitalisierungsinitiativen. Diese Initiativen werden oft in einem übergeordneten „digitalen Masterplan“ definiert und nachverfolgt.

Es können dabei unterschiedliche Ziele verfolgt werden: Wachstum (Entwicklung neuer Geschäftsmodelle), Effizienz (Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation) sowie die Entwicklung von Standards (Definition von Rahmenbedingungen zur Umsetzung der digitalen Lösungen und deren Planung). Im Mittelpunkt sollten stets Kund:innen und ihre Bedürfnisse und Erwartungen stehen.

 

Digitaler Masterplan als Grundlage für den Erfolg 

Die Entwicklung des digitalen Masterplans erfordert im ersten Schritt eine kompakte und strukturierte Auseinandersetzung mit der aktuellen Unternehmensstrategie und den Zielen. Durch Einbeziehung aller Fachabteilungen und Geschäftsbereiche wird sichergestellt, dass eine einheitliche Sicht auf das strategische Fundament besteht und der Handlungsrahmen sowie die Ziele und Vorgaben von allen Beteiligten verstanden und gleich interpretiert werden. Auf die Notwendigkeit eines soliden strategischen Fundaments wurde bereits im vorherigen Artikel detailliert eingegangen.

Im nächsten Schritt werden die digitalen Handlungsfelder definiert. Diese können in unterschiedlichsten Bereichen verortet sein. Angefangen bei der erforderlichen Infrastruktur, den internen Prozessen, dem Umgang mit und der Nutzung von Daten bis hin zu den digitalen Lösungen für Kund:innen.

Erfolgsentscheidend sind dabei auch die frühzeitige und enge Einbindung sämtlicher beteiligter Stakeholder:innen (Kund:innen, Lieferant:innen, Mitarbeiter:innen etc.) sowie das aktive Nutzen bestehender Netzwerke inkl. strukturierter Ansprache und Moderation. Je nach identifizierten Handlungsfeldern gibt es Themen, die Unternehmen eigenständig entwickeln können, bei anderen Aspekten bedarf es erfahrungsgemäß externer Expertise.

 

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Abbildung 1: Digitalisierungskonzept auf einen Blick

 

Für Digitalisierungsprojekte und somit auch für die Erstellung des digitalen Masterplans hat sich ein agiles Vorgehensmodell bewährt, um Ideen schnell erproben und objektiviert bewerten zu können. In späterer Folge (Roadmap-Entwicklung und operative Abarbeitung) nähert sich das Projektvorgehen typischerweise einem klassischen Projektablauf wie etwa dem Wasserfallmodell an. Dieses Vorgehensmodell gliedert sich in 4 iterative Phasen: Discover, Define, Develop und Deliver, die jeweils Rückkopplungen in die vorhergehenden Phasen zulassen (siehe Abbildung 1).

 

Die Discover-Phase dient der Standortbestimmung auf mehreren Ebenen und beantwortet folgende Fragen:

  • Welche strategischen Leitplanken wurden gesetzt?
  • Wie ist der digitale Reifegrad des Unternehmens aktuell einzuordnen?
  • Auf welcher Basis (organisatorisch und kulturell) wird in die Transformation gestartet?

 

Im Zentrum steht die Beantwortung der Fragen: Wie wollen Sie in Zukunft (am Markt) wahrgenommen werden? Wie unterscheidet sich dieses Bild von der aktuellen Situation und welche Handlungsfelder müssen bearbeitet werden, um die Transformation erfolgreich umzusetzen?

In der Define-Phase steht im Vordergrund, den agilen Arbeitsansatz im Projektteam zu etablieren, um in den gesteckten Handlungsfeldern aus der Discover-Phase möglichst viele Ideen zu generieren. Diese Ideen werden umgehend mit Stakeholder:innen und Expert:innen (Berater:innen, Technologieunternehmen aus dem Netzwerk, Forschungseinheiten etc.) erprobt und in eine zielorientierte Roadmap überführt. Ziel ist es, die wichtigsten strategischen Initiativen herauszuarbeiten, zu bewerten und in konkrete Projekte der einzelnen Handlungsfelder zu überführen (Projekte im Innovationsbereich, Optimierungsbereich und Organisationsbereich).

Um das agile Vorgehensmodell ideal zu unterstützen, kommt meist ein breiter Methodenmix zum Einsatz. Dieser besteht unter anderem aus Integration von externen und branchenorientierten Benchmarks, Kund:inneninterviews, Stakeholder:innen-Workshops, Expert:innenbefragungen sowie das frühzeitige Einholen internen und externen Feedbacks. Die Methodenauswahl gilt es individuell auf die jeweiligen Projekterfordernisse anzupassen.

Die Überleitung vom Ideen- in den Lösungsraum schafft die Develop-Phase. Die Projekte werden hier in Form einer detaillierten Roadmap Schritt für Schritt konzipiert und geplant. Oft geht es darum, strategisch relevante Technologien und Kooperationspartner:innen zu finden. In der Deliver-Phase findet (begleitet durch strukturiertes Projektmanagement) die Umsetzung der erarbeiteten Roadmap statt. Laufendes und kritisches Hinterfragen der Projekte, der erforderlichen Kompetenzen und kontinuierliches Nachschärfen sind hierbei essenzielle Elemente.

 

Erfolgsbeispiel am Energiemarkt - Gridpulse

Unternehmen im Bereich der Energieinfrastruktur sehen sich einer hohen Erwartungshaltung und Verantwortung im digitalen Wandel ausgesetzt. In einem gemeinsamen Projekt haben BDO Austria und die Knill Gruppe eine nachhaltige Sensortechnik zur Marktreife gebracht, die bei der Herausforderung im Bereich der Erhaltung der Netzstabilität einen Meilenstein darstellt. Das System überwacht eine Vielzahl von Faktoren, die für Freileitungen relevant sind.

Dies ermöglicht Netzbetreibern, wichtige Entscheidungen auf Basis aktueller Daten statt Erfahrungswerten zu treffen. Als Erfolgsfaktoren im Projekt wurden: Offenheit gegenüber Neuem, gegenseitiges Vertrauen und Partnerschaft auf Augenhöhe definiert. Unsere Philosophie im Projekt war es dabei stets, Ziele flexibel zu definieren und bei Bedarf am Feedback der Mitarbeiter:innen und Kund:innen auszurichten und diese am Markt zu validieren. Weitere Details zum Projekt können Sie auch bei DIE MACHER entnehmen.

 

Digitalisierung und Optimierung der internen Prozesse eines EVU in Österreich 

Im Zuge der digitalen Transformation und als Vorbereitung auf die bevorstehende S/4HANA-Transformation wollte das Unternehmen seine Prozesse weiter digitalisieren und optimieren. Als erster zu optimierender Prozess wurde der Purchase-to-Pay-Prozess herangezogen und der Status quo mittels Celonis Process Mining identifiziert. Es wurde der tatsächlich gelebte Prozess (Ist-Prozess) aus den Daten rekonstruiert und das Digitalisierungs- und Optimierungspotenzial erhoben. Gemeinsam mit dem Kunden konnten durch Umsetzung geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen folgende Ergebnisse erzielt werden:

  • Verkürzung der Durchlaufzeiten beim Beschaffungs- und Genehmigungsprozess
  • Erhöhung der Geschwindigkeit von Rechnungserhalt und Ausgleich
  • Steigerung der pünktlichen Lieferquote
  • Verringerung von Preisänderungen (und somit Verringerung nicht wertschöpfender Tätigkeiten)

Zur nachhaltigen, kontinuierlichen Verbesserung wurde mittels Process Mining ein fortlaufendes Monitoring des Prozesses, um weitere Potenziale rasch identifizieren zu können, umgesetzt. Weiterhin wurde aufgrund des Erfolgs bei der Verbesserung des Einkaufsprozesses der Ansatz auf den Instandhaltungsprozess und den Kund:innenabrechnungsprozess appliziert.

Durch die Kombination unserer technologischen und fachlichen Expertise in den Bereichen Einkauf, Instandhaltung und Kund:innenmanagement konnten wir gemeinsam mit unserem Kunden effiziente, digitale Prozesse realisieren.

 

Digitale Transformation der internen Prozesse eines EVU in Deutschland 

Der Energieversorger aus Deutschland hat zur Digitalisierung und Optimierung der internen Prozesse ein Kompetenzcenter für Digitalisierung gegründet. BDO hat das EVU sowohl beim Aufbau des Kompetenzcenters inkl. Governance und Vorgehensmodelle als auch bei der Durchführung der Digitalisierungsprojekte und Optimierung der Prozesse mittels Celonis Process Mining unterstützt. Es wurden Prozessanalysen auf die tatsächlich stattfindenden Prozesse (Ist-Prozesse) mit enormer Detailtiefe durchgeführt. Den Startpunkt stellte der Purchase-to-Pay-Prozess dar, gefolgt vom Instandhaltungsprozess, Accounts Payable, Trading etc.

Auf Basis der Ergebnisse der Prozessanalyse wurden Maßnahmen zur weiteren Digitalisierung und Automatisierung abgeleitet. Insbesondere wurde großer Wert auf die Effizienz bei den Prozessübergängen und Schnittstellen zu anderen Prozessen gelegt. Nach der Umsetzung der Maßnahmen wird aktuell Celonis Process Mining als Monitoring-Lösung für die Prozesse verwendet. Darüber hinaus wurden auch KI-Modelle entwickelt, die operative Einheiten bei Entscheidungsfindungen unterstützen.

Aufgrund einer sehr partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Kunden, also auch der Verknüpfung unserer technischen und fachlichen Expertise in der Umsetzung der Digitalisierungsprojekte, konnte ein Potenzial im hohen 7-stelligen Bereich realisiert werden. Nicht zu vernachlässigen ist auch die gestiegene Mitarbeiter:innenzufriedenheit aufgrund von zumeist reibungslos ablaufenden Prozessen in der End-to-End-Betrachtung.

 

Zusammenfassung

  • Für Digitalisierungsprojekte und somit auch für die Erstellung des digitalen Masterplans hat sich ein agiles Vorgehensmodell bewährt, um Ideen schnell erproben und objektiviert bewerten zu können.
  • Bei der Umsetzung der Digitalisierung steht zunächst der Prozess im Vordergrund. Daran anschließend folgt die Organisation und Technologie.
  • Positiven Einfluss auf Digitalisierungsprojekte haben oft Impulse und Expertise von außerhalb der Organisation sowie das richtige Mindset innerhalb der Organisation.
  • Neben dem richtigen Mindset braucht es für erfolgreiche Digitalisierungsprojekte Key-Player, die ein hohes technisches als auch fachliches Know-how haben.

 

Outlook

Im nächsten Artikel werden wir die zweite Säule der Exzellenz genauer analysieren – Nachhaltigkeit als Chance? 

Autoren:

Yannick Collasius

yannick.collasius@bdo.at
+43 5 70 375 - 1196